1892 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Kramer, R.
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Westfalen
14 Wie es in der Provinz Westfalen aussieht.
Westfalen nach der Weser und nach Niedersachsen. Bevor man
Bielefeld erreicht, fällt dem Wanderer die unübersehbare Zahl
kleiner Häuser mit roten Ziegeldächern auf, welche über die fleißig
angebaute Gegend zerstreut sind. In diesen Häusern wohnen die
rastlos arbeitenden Spinner und Weber, welche die Welt mit einem
Teile des berühmten Linnen versehen, obwohl der größere Teil der
Gewebe aus weiterer oder näherer Entfernung zu den Bielefelder
Bleichen herbeigebracht wird, um dann von hier aus in die Welt
zu wandern. Bielefelds Flachsbau, seine Gewebe und sein Garn-
Handel reichen bis ins 13. Jahrhundert hinauf. Das weiche, zum
Bleichen besonders günstige Wasser der Lutter hat zum Aufkommen
dieses Gewerbszweiges viel beigetragen. Einen besondern Aufschwung
aber bekam dieser Betrieb im 16. u. 17. Jahrhundert, als Philipp Ii.
und seiner beiden Nachfolger Druck auf den Niederländern lag, daß
sie scharenweise gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen und
ihren Kuustfleiß in die Fremde zu verpflanzen. So kam auch nach
Bielefeld ein Teil derselben und was früher nur die blühenden
Webereien in Gent, Antwerpen, Brügge u. s. w. zu liefern ver-
standen, wurde bald hier in gleicher Güte geschaffen. Unweit Biele-
feld befinden sich großartige Anstalten, welche in neuester Zeit durch
christliche Liebe entstanden und gewachsen sind: Kranken- und Waisen-
Häuser in verschiedenartigster Einrichtung, je nachdem sie für die
verschiedenen Kranken und Verlaffenen bestimmt sind. Eine gemein-
same Kirche „Zion" erhebt sich inmitten dieser Häuser christlicher
Liebe, deren werkthätiger Leiter der Pastor von Bodelschwingh
ist. Derselbe hat auch eine andere wohlthätige Anstalt gegründet,
welche beschäftigungslose Arbeiter ausnimmt und in einer besondern
Ansiedelung in der Senne, in Wilhelmsdorf, zwei Meilen von
Bielefeld, auch für die Kultur dieser öden Gegend wirksam ist.
In der Grafschaft Ravensberg wandte früher der Landmann,
der im Sommer den Flachs baut, die Winterruhe zum Spinnen
und Weben an. Außer zu Bielefeld und Herford wird auch zu
Halle, Schildesche, Gütersloh, Lübbecke, P ader b o rn viel und
gute Leinwand gewebt. Zur Zeit wird wenig Flachs mit der Hand ge-
spönnen. Wer aber ein rechter Ravensberger ist, hält am Handgespinst
fest. Es haben sich zum Schutze desselben besondere Vereine gebildet.
Dagegen giebt es in der Provinz auch sehr viele Maschinen, auf
denen Wollgarn gesponnen wird.
Die Grafschaft Ravensberg, zu welcher Bielefeld gehört, hat
ihren Namen von der Burg Ravensberg, welche einige Stunden
westlich von Bielefeld auf dem Teutoburger Walde liegt und
deren Ruinen von ihrer Höhe herab weit hinein in einen großen
Teil der flachen Ebenen des Münsterlandes, über die Ems und
Lippe hin bis nach dem Haarstrange schauen.
Zwischen ihm und dem Stromberge liegt, an der Straße von
Hamm nach Bielefeld, das Städtchen Gütersloh, was wohl vielen
Schulkindern bekannt ist, da von dort manch gutes Schulbuch kommt.