1905 -
Leipzig [u.a.]
: Müller-Fröbelhaus
- Autor: Wauer, Alwin
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Handelsschule, Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
zum Kauf angeboten. In kaum glaublicher Menge werden die
Gaben des Meeres als Nahrung benützt. Muscheln 'und Schnecken,
Seeteufel und Plattfische, Knurrhähne und Seenadeln, Rochen und
Störe, Schwertfische und Katzenhaie wimmeln da durcheinander
und machen vergebliche Fluchtversuche. Krebse von erstaunlicher
Grösse und winzige Taschenkrebse kriechen über- und durch-
einander und führen erbitterte Kämpfe. So fremd, so verwunder-
lich und erschreckend auch die Gestalten erscheinen, alles wird
gegessen. Oft stachlicht wie ein Igel, roh oder gesotten, eine
Masse von gehackten Krebsen, Muscheln und kleinen Fischen dabei,
frische Kräuter darauf, Übergossen mit brauner Brühe oder gebacken
in Öl — so wird uns das Gericht vorgesetzt, das dem Einheimischen
trefflich mundet, uns aber mit Widerwillen erfüllt. Grössere Stücke
bietet der vielarmige Tintenfisch. Schlangenartig tasten seine langen
Arme umher, bis der Händler sie erbarmungslos in Stücke schneidet,
je nach Bedarf.
Dem Auslande ist Italien bekannt als das Land der besten
Tafelfrüchte (Ergänzungstabelle!) und als das erste Land des
Erdteils für Gewinnung von Rohseide. Es erzeugt doppelt so viel
Seide als alle übrigen Länder des Erdteils zusammengenommen. Mai-
land (9 ö 45), Turin (8 ö 45) und Florenz verweben sie in grossen
Mengen. Der italienische Wein wird in keinem Lande ständig an
Menge übertroffen, und an Güte nur in dem altbekannten Weinland
Frankreich, die Hanfausfuhr nur in Russland.
h) Trotz der mannigfaltigen Gaben des Landes muss die arme
Bevölkerung oft hungern, und doch genügt unter dem ewig blauen
Himmel ein Sonnenstrahl, ein wenig Reis und eine Apfelsine, dem
bedürfnislosen Volke Frohsinn und Heiterkeit zu erhalten. So
genügsam das Volk im ganzen ist, so wenig sind es oft einzelne.
Die Beamten bis zum Minister hinauf suchen sich nicht selten
auf Kosten des Staates zu bereichern. Grund und Boden liegen
zum grossen Teil in den Händen von Grossgrundbesitzern, die
das Land schlecht bewirtschaften. So ist auch die Viehzucht, aus-
genommen die der Lombardei, keine beachtenswerte. Nach Art
der Türken Wirtschaft bleibt immer alles beim alten. Von einer
Fürsorge für Verdienst, Erziehung, Hilfe und Bildung wie in
unserem Vaterlande ist keine Rede. Kaum haben wir die Grenze
des schönen Landes überschritten, so tritt uns Nachlässigkeit
und Schmutz entgegen. Durch Strassen, eng und dumpfig, zwischen
Speiseresten und Fruchtschalen, zwischen herumhängender, zer-
lumpter Wäsche, zwischen halbnackten und schmutzigen Kindern
wandern wir nur zu oft. Lesen und Schreiben sind diesen Kindern
unbekannte Dinge. Aus elenden Behausungen flüchten sie auf
sonnige Plätze, wo sie den grössten Teil des Tages herumlungern.
— Das ist die Kehrseite des schönen Italiens.
Ihren Grund haben diese Zustände mit in der Jugend des
Staates. Erst in allerjüngster Zeit schlössen sich die italienischen
Länder zusammen wie die deutschen Bundesstaaten 1871. Jetzt