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1. Die Länder Europas - S. 272

1908 - Leipzig : Wunderlich
— 272 — Zweck zu erreichen, auch nicht vor Mord und Brandstiftung. Selbst der Zar ist vor ihnen nicht sicher; wiederholt schon ist er mit knapper Not dem Tode durch Mörderhand entgangen. Ii. Liegen aber die Verhältnisse in Rußland wirklich so traurig, wie die Nihilist?n es darstellen? In vieler Hinsicht ist es freilich um das große Russische Reich und seine Bewohner schlecht bestellt. Da für die Volksschulen sehr wenig getan wird, ist die Volks- bildung ganz gering. Nur der achte Teil der im schulpflichtigen Alter stehenden Kinder besucht eine Schule. Während bei uns im Deutschen Reiche auf 10000 Rekruten 3 Analphabeten (D. h.) kommen, können im europäischen Rußland von 10000 Rekruten ungefähr 6 000, also mehr als die Hälfte, weder lesen noch schreiben. — Weiter ist in vielen Teilen Rußlands die Armut erschreckend groß. Ein großer Teil der Bauern ist infolge der Mißernten, der mangelhaften Bodenbestellung und der hohen Steuern, die nach der Ernte rücksichtslos eingetrieben werden und nicht wie bei uns in Raten, sondern auf einmal zu bezahlen sind, so verarmt, daß sie tatsächlich einen Teil des Jahres nicht einmal soviel haben, um sich satt zu essen. Für die Beschaffung von Geräten und Maschinen, für die Ausbesserung der zerfallenen Hütte, für aus- reichende Fütterung des abgemagerten Viehes bleibt ihnen kein Pfennig übrig. — Ferner ist ein großer Teil des Beamtentums bestechlich. In vielen, vielen Fällen findet der Arme beim Ortsvorsteher oder bei Gericht kein Recht, weil reicke Leute sich durch eine Summe Geldes ihr „Recht" erkauft oder sich Straffreiheit erworben haben. Iii. Haben da die Nihilisten nicht recht, wenn sie auf eine Änderung dieser Verhältnisse hinarbeiten? Die Mittel, welche sie anwenden, sind verwerflich. Durch Mord und Totschlag, durch Brandstiftung und Verwüstung kann es nicht bcsser werden. Sollen für Rußland glücklichere Zeiten kommen, so sind Volksschulen zu gründen, die das Volk aus seiner großen Unwissenheit herausheben, ist der Bauernstand aus seiner Notlage zu befreien (Belehrung der Bauern über die rechte Art des Bodenbaus durch Einrichtung von Musterwirtschaften — Gelduuterstützung aus der Staatskasse zum An- kauf von Vieh und landwirtschaftlichen Maschinen — Urbarmachung des fruchtbaren Steppenlandes usw ), ist der Beamtenstand von all den Betrügern und bestechlichen Leuten zu reinigen, die nicht das Wohl des Staates und der Gemeinde im Auge haben, sondern sich schnell bereichern wollen. Iv. War umhat aberdierussischeregierung nicht längst schon für Beseitigung der Übelstände gesorgt? In Rußland liegen die Verhältnisse ganz anders als in unserem Vaterlande. 1. Rußland ist noch immer eine uneingeschränkte Monarchie. Der Zar ist „der Selbstbeherrscher aller Reußen". Er erfährt nicht, wie es wirklich in seinem großen Lande steht. Die Minister und Beamten
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