1896 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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stürzen und über den Wassern einen schwarzen Punkt, nämlich die Brücke
von Baumästen, auf der der Wauderer deu (Strom überschreitet. Gegen
Morgen kommen wir endlich aus dein Kamm der Cordilleren an.
2. Auf dem Kamme. Wir stehen in einer Höhe von 4000 m.
Neben uns erheben gewaltige Berge ihre trotzigen, schneebedeckten Häupter,
zeigen Felsen ihre zerrissenen, rotschimmernden Wände, unter uns gähnen
dunkle Schluchten, aus denen dumpfes Wasserrauschen an unser Ohr schlägt.
Über uns zieht ein gewaltiger Vogel, ein Condor, einsam seine Kreise in
der scharfen, reinen Lnft. Leider können wir nicht lange auf der Höhe
weilen. Unser Führer mahnt zun? Aufbruch. Es ist nicht gut, meint er,
den Mittag auf den Höhen der Cordilleren abzuwarten, da nachmittags
sehr oft furchtbare Gewitter losbrechen. Dann werden die Berge von
unermeßlichen Schneewirbeln ganz eingehüllt. Der Wind rollt und peitscht
den Schuee mit solcher Gewalt und dieser Schnee selbst ist so dicht, daß
es dnrchaus unmöglich ist, auch nur einige Schritte weit vor sich zu
blicken. Jeder Weg, jeder Pfad verschwindet. Man hört nnr das Rollen
des Donners, man sieht nur den roten Schein der Blitze durch den vom
Sturm gepeitschten Schneewirbel zucken. Wir wollen unser Leben nicht
aufs Spiel setzen und rüsten uns zum Abstieg.
3. Der Abstieg. Auch der Abstieg ist beschwerlich. Bergauf,
bergab führt der Weg. Oft, wenn wir in eine tiefe Schlucht mühsam
hinabgestiegen sind, muß man ans der anderen Seite znr alten Höhe
hinaufklimmen, um bald darauf aufs Neue hinabzuklettern. So geht es
stundenlang fort. Manchmal streckt ein Vicnnnafchaf von der Höhe eines
Felsens herab seinen langen Hals gegen uns aus, betrachtet uns halb
erschreckt und ergreift dann die Flucht. Weiterhin fressen gezähmte Lamas
das spärliche Gras zwischen den Stämmen ab, heben kaum den Kopf ans,
wenn wir vorbeireiten und grasen dann ruhig weiter. Diese Tiere, sagt
unser Führer, kündigen die Nähe der Menschen an! Und in der That
erblicken wir auch bald einige Jndianerhütten. Einige halbnackte Kinder
spielen vor ihnen im Staube, mitten in einer Schar magerer Hunde.
Die Hütten haben das Aussehen eines großen Bienenkorbes. Das kegel-
förmige Dach ist aus Zweigen gefertigt und mit langem Gräfe gedeckt.
Die Thür ist so niedrig, daß wir nns tief bücken müssen, wenn wir einen
Blick ins Innere des Hauses werfen wollen. Wir steigen ab und betreten
eine der Hütten. Im Hintergründe steht ein kleiner Osen aus Thon, in
dem man, weil es an Holz fehlt, mit Gras und Schafmist Feuer macht.
Zwei schlechte, vom Rauch geschwärzte Gefäße bilden den ganzen Haus-
rat. In diesen Töpfen kocht man Mais und Kartoffeln, zuweilen auch
ein Stück an der Sonne getrocknetes Hammel- oder Lamafleifch. Neben
dem Ofen ist eine Bank von Erde. Diese Bank ist mit Schaffellen zu-
gedeckt und bildet das gemeinfame Bett der Familie, auf dem Vater,
Mutter und Kinder sich ausstrecken, und dadurch, daß sie eng aneinander
rücken, gegen die Kälte der Cordilleren sich schützen. Wir besteigen