1896 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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selbst, sowie die sumpfigen Umgebungen sind ihrer Ausbreitung durchaus
günstig. In der Nähe der Pagoden trifft man überall heilige Stiere
des Schiwa, und des Abends dringen zuweilen die heulenden Schakale
in die Stadt, um an den Straßenabfällen ihren Hunger zu stillen.
Auch Bombay ist unter der englischen Herrschaft sehr emporge-
blüht. Bombay liegt auf einer Insel gleichen Namens, die durch einen
schmalen Meeresarm vom Festlande getrennt und durch Eisenbahndämme mit
ihm verbunden ist. Sie erstreckt sich von Norden nach Süden und spiegelt
ihre weißen Gebäude mit den roten Dächern, ihre zahlreichen Gärten
und Parkanlagen in den blauen Wellen des sonnigen Meeres. Inner-
halb der Straßen macht Bombay fast durchweg einen europäischen Ein-
druck. Man sieht die vierstöckigen Gebände Londons und anderer großen
Städte, italienische Villen und deutsche Bürgerhäuser in langen wohlge-
ordneten Reihen,allerdings fast alle mit luftigen Veranden von leichtem
Holzgitterwerk umgeben. — Bombay ist der Hauptausfuhrort der
Baumwolle.
Bombay hat anch ein Hospital für kranke Tiere. Tiefes Tier-
Hospital, dessen übler Geruch die Gegend verpestet, umfaßt mit seinen
zahlreichen Ställen und Höfen einen Raum von 2090 Quadratmeter.
Man betritt zuerst einen von Schuppen umgebenen Hof, in welchem sich
die invaliden Ochsen, Kühe, Pferde, Schafe, Esel, Hunde und Katzen im
merkwürdigsten Durcheinander befinden. Hier kommt ein altes Pferd
mit einer großen Binde um deu Kopf, dort ein Ochse mit einem Licht-
schirm über den Augen oder ein Esel mit verbundenem Beine, eine
hinkende Kuh, ein halblahmer Hund; andere liegen anf frisches Stroh
gebettet, es sind die Ganzlahmen, Blinden und Greise. Überall gehen
Diener umher, welche die Tiere pflegen, reinigen und mit Nahrung ver-
sehen. Einige sind so krank und leidend, daß ein Reisender den Hindu,
seinen Führer, fragte, weshalb man nicht durch Tötung ihren Qualen
ein Ende mache. „Behandelt ihr Europäer eure Kranken auf solche
Weise?" war seine Antwort.
Man gelangt hierauf in den Hof der zweibeinigen Tiere. In
diesem Tierparadiese können alte Raben und kahle, schäbig aussehende
Geier friedlich ihr Leben beschließen. Blinde Enten, uralte Spatzen,
hinkende Hühner und federlose Falken sitzen hier einträchtig in derselben
Ecke und harren des Augenblicks, wo ihre Seele den altersschwachen
Leib verläßt und eine neue Wanderung antritt.
In andern Abteilungen dieser Arche sieht man Ratten, Schlangen,
Insekten und besonders viele vor Alter blödsinnig gewordene Affen.
Die frommen Hindu schicken nicht bloß Invaliden in dieses Spital, sie
kaufen auch von den Metzgern zu demselben Zwecke Ochsen und Schafe;
so befanden sich dort beim Besuche des Grafen Goblet d'alviella nicht
weniger als 200 Ochsen und 500 Schafe in Pension.