1896 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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bencr er keine Spur von Kenntnis hat. und Versprechungen zu machen,
die er nicht zu halten gedenkt. Es ist einem Chinesen eine Kleinigkeit,
sich als Führer durch eine Gegend anzubieten, die er selbst uoch nie
betreten hat, oder die Besorgung von Gegenständen zu übernehmen, die
er gar nicht kennt. Ein Fremder, der sich von einem Chinesen durch
eine Stadt führen und über die Bedeutuug der ausgestellten Denkmäler,
die Straßenvorgänge, die Einrichtungen in den Palästen, Tempeln oder
Läden u. s. w. unterrichten läßt, kann sicher sein, daß 9/io von allem,
was er zu hören bekommt, von dem Führer ersuudeu ist. Es kann ihm
passieren, daß ihm ein Götzenbild als ein Denkmal zu Ehren eines
hundertundsünszigjährigen Greises und ein altes verrostetes Opfermesser
als das Schlachtschwert eines berühmten Helden bezeichnet und in über-
schwenglichen Worten gerühmt wird.
3. Die Chinesen haben eine Anzahl lasterhafte Gewohn-
heiten.
Zu diesen gehört hauptsächlich das Opiumraucheu. Das Opium
ist der aus den unreifen Mohnkapseln durch Auritzeu gewonnene und
später zu einer braunen Masse eingetrocknete Saft. Er wird Haupt-
sächlich in Ostindien gewonnen. Bei uns wird das Opium nur auf
Verordnung des Arztes gebraucht, in China aber verwenden es Taufende,
um sich mit seiner Hilfe in einen von schönen Träumen begleiteten Rausch
zu versetzen. In jeder chinesischen Stadt giebt es eine Anzahl „Opium-
kiöllen", iu deueu man Opium rauchen und dann seinen Rausch aus-
schlafen kaun. In diesen Lokalen steht eine Anzahl hölzerner Pritschen,
auf denen sich die Raucher ausstrecken können. Sobald ein Raucher es
sich bequem gemacht hat, zieht er seine Pfeife hervor, eine flötenähnliche
Röhre, auf der man einen Pfeifenkopf angebracht hat, der so winzig ist,
daß ein erbsengroßes Stück Opium dariu festsitzt. Mit Hilfe der kleinen
Lampe, die neben jeder Pritsche auf einem kleinen Tischchen steht, wird
das Opium angezündet. Dann thut der Raucher langsam mehrere Züge,
verschluckt den Rauch und wartet die Wirkung des Giftes ab. Anfänger
erreichen bald ihren Zweck, alte Sünder aber müssen oft fünf bis sechs
Pfeifen rauchen, ehe sie von schönen Träumen umgaukelt werden. Kaum
atmend liegen sie dann aus ihren Pritschen und schwelgen in den wunder-
barsten Traumgesichten. — Die Folgen des Opiumrauchens sind schrecklich.
Der gewohnheitsmäßige Opiumraucher magert nach und nach -zum Skelett
ab, weit stehen die Backenknochen hervor, tief liegen die Augen in ihren
Höhlen. S?in gestimmtes Nervensystem ist zerrüttet. Seine Hände und
Füße zittern, kaum vermag er sich aufrecht zu erhalten. Trotzdem läßt er
von feinen, Laster nicht. Er giebt seinen letzten Heller hin, um sich
Opium und immer wieder Opinm zu kaufen, bis er endlich, zum Tiere
herabgesunken, dem Tode verfällt.
4. Die Chinesen haben eine mangelhafte Rechtspflege und
verhängen grausame Strafen über die Schuldigen.