1914 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Auflagennummer (WdK): 19
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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waren. Deutschland bezieht in erster Linie Inte/) Reis, Rohbaumwolle und
Indigo und liefert dafür Tuch- und Baumwollwaren. — Man unterscheidet
eine „weiße" und eine „schwarze" Stadt. Erstere besteht aus den Pracht-
vollen Palästen reicher Engländer und ist vielleicht die schönste von allen
außereuropäischen Städten. Hier erhebt sich auch der Gouvernements-
palast, welchen der Vizekönig Indiens bewohnt. Im Norden liegt die
„schwarze" Stadt mit ihren engen und krummen Gassen, in denen der
Unrat sich häuft. Die kleinen Holz- und Lehmhütten sind zum Teil
mit Stroh oder Bambus gedeckt und machen einen recht kläglichen
Eindruck. Hier ist die Wohnstätte der armen Hindus/ hier auch rafft
die Cholera an einem heißen Sommertage Hunderte von Menschen
hinweg, denn die Unreinlichkeit in der Stadt selbst, sowie die sumpfige
Umgebung sind der Ausbreitung der Seuche durchaus günstig. In der Nähe
der Pagoden trifft man überall heilige Stiere des Schiwa, und des Abends
dringen zuweilen die heulenden Schakale in die Stadt, um an den Straßen-
abfüllen ihren Hunger zu stillen. — Vgl. Kalkutta mit New-Orleans! (Lage,
Ausfuhrhafen eines großen Stromgebietes, Gesundheitszustand.)
Auch Bombay ist unter der englischen Herrschaft sehr empor-
geblüht. Bombay liegt auf einer Insel gleichen Namens, die durch
einen schmalen Meeresarm vom Festlande getrennt und durch Eisenbahn-
dämme mit ihm verbunden ist. Sie erstreckt sich von Norden nach
Süden und spiegelt ihre Weißen Gebäude mit den roten Dächern, ihre
zahlreichen Gärten und Parkanlagen in den blauen Wellen des sonnigen
Meeres. Innerhalb der Straßen macht Bombay fast durchweg einen
europäischen Eindruck. Man sieht die vierstöckigen Gebäude Londons
und anderer großer Städte, italienische Villen und deutsche Bürger-
Häuser in langen, wohlgeordneten Reihen, allerdings fast alle mit
luftigen Veranden von leichtem Holzgitterwerk umgeben. — Bombay
ist der Hauptausfuhrort der Baumwolle.
Zur sachlichen Besprechung.
a. Wie ist es zu erklären, daß ein Volk, das körperlich und
geistig so gut beanlagt ist, unter fremder Herrschaft
steht und nicht sein eigenes Staatswesen hat? (Die In-
dier haben einen sanften Charakter und eine sehr große Neigung
zur Ruhe. Sie sehen sich als zum Dulden und Gehorchen ge-
schaffen an und fügen sich mit Gleichgültigkeit dem Gebote der
Eroberer. Sie haben den Spruch eines alten indischen Schrift-
stellers zur Lebensregel gemacht: „Es ist besser, zu sitzen, als
zu stehen,- besser, zu liegen, als zu sitzen,- besser, zu schlafen, als
zu wachen) aber der Tod ist besser als alles." Dazu kommt,
daß die Völker Indiens und ihre Fürsten uneinig sind. Diese
i) Jute oder Kalkuttahanf ist die Bastfaser von Corchorus capsularis oder
textilis, eines bis 5 m hohen einjährigen Gewächses mit dünnem Stengel, langen,
zugespitzten, gesägten Blättern und gelben Blüten.