1907 -
Trier
: Stephanus
- Autor: Schiffels, Joseph
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 84 —
dar; es erscheint wie eine gewaltige Mauer, die sich in einer Höhe
von über 1000 in über das an seinem Fuße ausgebreitete schlesische
Hügeltand erhebt. In seinem mittleren Teile zerfällt das Gebirge in
zwei gleichlaufende Riesenkämme, von denen der eine auf schlesischer,
der andere auf böhmischer Seite liegt. Beide hängen an ihren Enden
durch Hochflächen zusammen, sind aber sonst durch das Längstal der
Sieben Gründe voneinander geschieden. Durch eine tiefe Schlucht in
dem südlichen Kamme bahnt sich die Elbe einen Weg in die böhmische
Ebene.
Unten in den Tälern und am Fuße des Riesengebirg'es sieht
man wogende Getreidefelder und grasreiche Wiesen, sowie herrliche
Laub- und Nadelwälder, welche sich auf den niedrigen Vorbergen bis
zum Gipfel hinaufziehen. Je höher man im Gebirge hinaufsteigt, desto
kahler und stiller wird es. Die Laubbäume verschwinden ganz, und
die Tannen und Fichten werden immer kleiner und dürstiger. Ebenso
verstummt der Gesang der Vögel; an seine Stelle tritt das Rauschen
wild dahinfließender Berggewässer. Die nackten Felsen treten immer
mehr zu Tage, bis dann oben auf dem Kamme selbst von Pflanzen
nichts mehr zu sehen ist als die Zwergkiefer, das fog. Knieholz, welches
feine Äste auf der Erde ausbreitet, und einige Flechten und Moose,
denen selbst die Stürme und die grausige Kälte eines 9 Monate langen
Winters nichts anhaben. Die höchsten Teile des Gebirges weisen kahle
Felskegel und große Felstrümmer auf. Überhaupt erinnert es unter-
allen deutschen Gebirgen am meisten an die Alpen.
Dörfer gibt es in den hoch liegenden Gegenden des Gebirges
nicht, wohl aber viele zerstreute Wohnungen, Bauden (vgl. „Buden"
und „bauen") genannt. Sie sind eine Art von Sennhütten. Man
zählt deren wohl an 3000. Ihre Bewohner treiben Rindvieh- und
Ziegenzucht und halten gegen 20000 Kühe und 12000 Ziegen. Diese
Bauden sind von Holz und auf einer steinernen Grundlage erbaut,
welche 2 in über dem Boden hervorragt. Der Eingang ist durch das
überhängende Dach vor Wind und Wetter geschützt. Die Wohnstube,
mit einem großen Kachelofen, einigen Tischen und Bänken ausgestattet,
ist geräumig; daneben befindet sich eine Kammer und gegenüber, durch
Hausstur und Küche getrennt, der Stall. Das Dach ist mit schindeln
bedeckt und reicht bei den an Bergabhängen stehenden Bauden an der
Hinterseite bis auf den Boden hinab; unter demselben ist der Futter-
vorrat und zuweilen die Schlafstelle für einen Teil der Familie oder
der im Sommer zahlreich erscheinenden Gäste.
Zu Beginn des Sommers (um Johannistag, 24. Juni) treiben
die Bewohner dieser einsamen Berghütten und der Dörfer am Fuße des
Gebirges ihre Herden zu Berge. Beim Schalle langer hölzerner Schal-
meien, Hellahörner genannt, bei fröhlichem Gesang und dem Geläute
der Glocken, deren jedes Rind eine an einem verzierten Bügel am
Halse trägt, treibt man die blökenden Herden zwischen Fichten und
Tannen zu den Sommerbauden in das Hochgebirge, welches nun
14—15 Wochen lang von diesen fröhlichen Tönen widerhallt. Das
Vieh findet in den kräftigen Kräutern der Bergwiesen eine vortreffliche