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1. Das Deutsche Reich - S. 86

1907 - Trier : Stephanus
— 86 - Haft und rußig, bald auch in verschiedenen Tiergestalten, die Bewohner der Gegend entweder beglückend oder neckend. Seine Launen sind mannigfaltig und abwechselnd wie das Wetter im Gebirge: er straft diejenigen oft, die ihn durch Rufen seines Namens necken und reizen; betrügerischen Roßhändlern verkauft er ein stattliches Pferd, welches sich nachher in einen Strohwisch verwandelt; Abenteurern wird ihr Pferd, ohne daß sie es selbst merken, zum Stocke, auf dem sie hernach im lächerlichsten Aufzuge durch das Dorf reiten; Armen dagegen füllt er den Korb mit trockenem Laube, das sie keuchend fortschleppen und nachher in Gold verwandelt sehen. Er läßt sich statt des mid^Unrecht Verurteilten hängen, zappelt Stunden lang am Galgen, und wenn man endlich nachsieht, findet man nur einen Strohwisch. Im höchsten Ge- birge duldet er keiue Jagd; nicht einmal Jagdhunde darf man dahin mitnehmen. Seinen Namen soll der Berggeist auf folgende Weise erhalten haben: Derselbe kam von Zeit zu Zeit aus dem Berge hervor, um zu sehen, was die Menschen treiben. Eiumal sah er eine schöne Fürstentochter, welche ihm sehr gefiel. Mit List suchte er sie in seine Gewalt zu bekommen. Er brachte sie in ein prächtiges Schloß unter der Erde. So viel Schönes ihr auch der Berggeist darbot, sie wollte nicht seine Gemahlin werden; denn sie sehnte sich nach menschlicher Gesellschaft. Da brachte ihr der Berggeist zwölf Rüben und einen Zauberstab. Dann sprach er: „Alles, was du dir wünschest, kannst du herbeizaubern, wenn du eine Rübe mit diesem Stäbchen berührst." Sogleich machte die Prinzessin einen Versuch. Zuerst wünschte sie sich ihre liebste Gespielin herbei. Sie berührte eine Rübe mit dem Stabe, und sogleich stand die Freundin vor ihr. Voller Frende zauberte sie auch die audere herbei, und nun war sie fröhlich. Aber da die Freundinnen eigentlich doch nur Rüben wareu, wurden sie bald welk und starben. Da war die Prinzessin wieder betrübt und bat den Berggeist, sie zu ihreu Eltern zurückzubringen. Das tat er aber nicht. Da er- sann sie eine List. Sie zauberte eiu Vöglein herbei; das schickte sie mit einem Brief an ihren Bräutigam, der ein reicher Fürstensohn war; der sollte sie nach drei Tagen an einem bestimmten Orte erwarten. Dann stellte sie sich freundlich zu dem Berg- geiste und sagte, sie ivolle seine Gemahlin werden, aber erst müsse er die. Rüben, ivelche auf dem Felde stehen, richtig zählen. Dazu, meinte sie, würde der Zauberer lange Zeit brauchen. So war es auch. Er verzählte sich oft, so daß er immer von vorn anfangen mußte. Endlich hatte er richtig heraus, wie viel Rüben auf dem Felde staudeu. Er eilte nach dem Schlosse; aber die Prinzessin war fort über alle Berge. Sie hatte aus einer Rübe ein schneeweißes Roß gezaubert und war ent- flohen. Der Zauberer schaute durch sein Zauberglas, erblickte die Prinzessin in weiter Ferne, zog seiue Siebenmeilenstiefel an und eilte ihr nach. Aber sie war schon 1.bcr die Grenze seines Gebietes, dahin reichte seine Macht nicht. Ärgerlich und beschämt ging er zurück in sein Schloß; die Prinzessin aber zog mit ihrem Bräutigam zu deu Eltern. Beim Weggehen aber rief sie dem Zauberer spottweise nach: „Rübezahl, Rübezahl!" Und so ueuuen den Berggeist noch alle Leute bis aus deu heutigen Tag. Einst beschloß Rübezahl, sich unter den Menschen aufzuhalten, um dieselben keuuen zu lernen. Zuerst trat er als Knecht in die Dienste eines Landwirts und verrichtete seine Arbeit aufs beste. Alles, was er unternahm, gelang ihm, und er schaffte seinem Herrn großen Nutzen, so daß dieser durch ihn hätte reich werden können. Allein der Herr war ein liederlicher Verschwender, der alles wieder durch- brachte, was sein treuer Knecht erwarb, und der demselben für seine Dienst^ nicht einmal dankte. Hierüber war Rübezahl ärgerlich; er ging zu einem andern Herrn, bei dem er sich ° als Schafhirt vermietete. Tie Herde gedieh unter seiner Aufsicht vortrefflich und mehrte sich. Kein Schas erkrankte, keines wurde von Wölfen zer- rissen, so lange sie Rübezahl hütete. Aber sein Herr war ein Geizhals, der seinen Knechten nicht satt zu essen gab und ihnen den ausbedungenen Lohn verkürzte, so oft er nur konnte. Darum schied Rübezahl auch von diesem und begab sich zu einem Amtmanne, bei dem er die Stelle eiues Gerichtsdieners übernahm. Er versah diesen
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