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1. Europa - S. 75

1897 - Leipzig : Wunderlich
— 75 — Wir werfen einen Blick hinein. Buntbemalte Teller hängen an den Wänden, in der Ecke befindet sich ein ganz niederer Herd. In der Mitte der Küche sitzt das Gesinde des Wirtes auf der ebenen Erde und ißt mit hölzernen Löffeln das Mittagsmahl. Wir treten nun in die Gaststube. Sie ist ungedielt. An den Wänden hängen Heiligenbilder. Ans langen Bänken sitzen Bauern um einen großen Tisch herum. Sie sind auf der Fahrt nach Budapest begriffen und halten hier kurze Rast. Sie raucheu aus kurzen Thonpfeifen und sprechen dem roten Landwein tüchtig zu. Sie plaudern von dem Streite, der gestern hier in der Csarda getobt hatte. Bauern und Hirten waren in Streit gekommen, Knüttel und Peitschen durchsausten die Lust und machten blutige Köpfe, bis der Wirt mit seiner Flinte mitten hinein in die Wütenden sprang und sie auseinanderriß. Nachdem wir uns am roten, feurigen Ungar- wein gestärkt haben, besteigen wir unfern Wagen wieder, und weiter gehts dem Dorfe zu, aus dem die Bauern stammen, die wir in der Csarda trafen. Nach einstündiger Fahrt haben wir es erreicht. Es be- steht aus elenden Lehm- und Schilfhütten, die in breiten Gassen stehen. Von diesen Häusern gleicht eins dem andern. Zwei Fenster in der Vorderwaild schaffen Licht. Der kleine Giebel ist durch Maisbüschel verdeckt. Vor dem Hause steht eine hölzerne Bank; auf ihr fitzt abends der magyarische Bauer, raucht seine Pfeife und streicht seinen Schnurr- bart. Still und leer ist es in den breiten Gassen. Nur Gänse und Schweine zeigen sich. Die meisten Männer sind heute nicht daheim. Sie leiten einen mit Pferden und Ochsen bespannten Wagenzug nach Pest und bringen so die Erzeugnisse ihrer Felder, insbesondere den schweren Weizen, den sie erbaut haben, aus den Markt. Wir trafen einige von ihnen ja noch in der Csarda. Nach kurzem Aufenthalte setzen wir unsere Reise fort. Wiederum geht es hinaus in die weite Pußta. Der Boden ist jetzt etwas besser und zeigt stellenweise üppigen Graswuchs. Bald fahren wir vorüber an zahllosen Rinderherden, umkreist von zottigen, weißhaarigen Hunden und überwacht vom Gulyas sspr. Guljasch). Der Gulyas oder Rinderhirt ist beritten wie der Roßhirt und gleich abgehärtet wie dieser gegen die feuchte Kühle der Morgennebel, wie gegen die entsetzliche Hitze des Sommers. Wir treffen eine solche Herde am Brunnen. In langen Zügen trinken die Herden aus den bereits gefüllten Tränkrinnen, und die Hirteu wehren dem Stoßen und Drängen der dürstenden Tiere. Die Sonne neigt sich zum Sinken. Die Dämmerung breitet sich über die weite Fläche. Sieh, da leuchten helle Feuer auf und stechen grell vom nächtlichen Himmel ab. Wer entzündete sie? Die Hirten waren es. Sie häuften Schilf, Mist und dürres Gras zusammen und brannten es an, um sich Speck zum Nachtmahl zu bereiten und sodann bei der lodernden Flamme zu plaudern und zu spielen. Erst spät in der Nacht verglimmen die Feuer, und dann umfängt erquickender Schlaf
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