1897 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Schwertfisch oder ein Katzenhai x) an einer Säule, und in den großen
Körben, die auf der Erde stehen, führen riesige Hummern und spinnen-
artige Taschenkrebse2) erbitterte Kämpfe. In großen, flachen Gefäßen
werden Muscheln 3) und Meerschnecken aufbewahrt, neben den köstlichen
Austern auch die winzigen Müschelchen, von denen tausend auf ein Liter
gehen. Was das Meer bietet, wird eben in Venedig gegessen. Auch die
Hauptnahrung des gewöhnlichen Volkes, der Tintenfisch,4) ist in großen
Mengen vorhanden. Ruhig und in regelmäßigen Zügen atmend, liegen
die porzellanartigen Tiere in den Körben der Händler, nur die langen
Fangarme (Bild) tasten in schlangenartigen Windungen unruhig umher.
Die Händler aber schneiden erbarmungslos die zähen Fangarme in Stücke
und verkaufen sie so. In Öl gesotten oder gebacken, bilden diese Fang-
arme ein Lieblingsgericht der Venezianer. — Wenn wir die Fische oder
Muscheln, die wir auf dem Fischmarkte gesehen haben, einmal kosten
wollen, so brauchen wir nur eine der Fischerkneipen aufzusuchen, die sich
zahlreich am Markte befinden. Wir betreten die erste beste, nehmen uus
aber hübsch in acht, daß wir uns nicht an der niedrigen Thüre stoßen
und setzen uus dauu an einen der roh gezimmerten Tische. Der Wirt
erscheint und fragt uus höflich — aber ohne die Pfeife aus dem Munde
zu nehmen — nach unseren Wünschen. Wir bestellen das Gericht, das
der Kellner soeben den Gästen am Nachbartische bringt: »Aragusta
ripiena!« Bald bringt uns der dienstbare Geist unser Mahl. Es ist
ein roh gesottenes Schaltier, stachlich wie ein Igel und mit einer Masse
ans gehackten Fischen, Krabben, Muscheln und Kräutern gefüllt. Das
ganze ist mit einer dicken, gelbbraunen Brühe Übergossen, deren Gernch
trotz des vielen Pfeffers an den Geruch des Schlammes erinnert. Ob
uns das Gericht munden wird? Ich glaube es kaum!
c. Es besitzt großartige Bauwerke. — Zu diesen gehört in erster
Reihe die Markuskirche auf dem Markusplatze. Ihre Säulen sind stark
vergoldet. Herrliche Malereien auf Goldgrund, von berühmten Malern
hergestellt, zieren die Wände. Der Fußboden ist mit Marmor belegt.
In der Markuskirche ruhen die Gebeine des Evangelisten Markus; auch
bewahrt man hier das Evangelium aus, das er einst mit eigener Hand
geschrieben haben soll. Der Kirche gegenüber, also völlig getrennt von
ihr, steht der Glockenturm von St. Markus, der Eampauile. Er ist
bedeutend höher, als der Turm unserer Stadtkirche, nämlich ziemlich
100 m hoch, und gewährt eine herrliche Aussicht. Ringsum und unter
Ans liegen Paläste und Kirchen, Häuserreihen und kleine Plätze, Türme
und Kuppeln, Kanäle und enge Gassen. Allerwärts leuchten weiße Segel.
*) Lehmann, Zoologifcher Atlas, Bild 28.
2) Lehmann, Zoologischer Atlas, Bild 33.
3) Lehmann, Zoologischer Atlas, Bild 36. [Auster.] Dybdahl, Wandtafeln,
No. 61.
4) Lehmann, Bild 35.