1912 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Auflagennummer (WdK): 20
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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aufhalten. Wir haben ja bis Basel 1500 km zurückzulegen, also eilte
Strecke, die ein rüstiger Fußgänger erst in 30 Tagen bewältigt. Königs-
berg, die alte Krönungsstadt, zieht an nnseren Blicken vorüber, später
Elbing, die aufblühende Fabrik- und Handelsstadt. Stunde um Stunde
verinnt. Da ertönt ein Pfiff. Die Bremsen ziehen an. Wir haben
endlich ein Viertel des Weges zurückgelegt, „Schneidemühl!" rufen die
Schaffner, „Schneidemühl!". Die Türen werden geöffnet und wieder
zugeschlagen, Menscheu wogen hin und her; einige Augenblicke vergehen,
dann ertönt der Ruf des dieusthabeuden Beamten: „Abfahren!", und
weiter geht es in sausender Eile. Gilt es doch, heute noch die Reichs-
Hauptstadt zu erreichen.
Die Uhr zeigt 7 Uhr. Die Sonne ist untergegangen. Die Lichter
im Wagen werden angezündet. Wir suchen den Speisewagen ans und
fetzen uns mit Russen, Franzosen, Engländern, kurz, Leuten aus aller
Herren Ländern, zu Tische. Wir verstehen ihre Sprache nicht und haben
Mühe, uns mit ihnen zu unterhalten, aber über alledem vergeht doch
die Zeit. Schon ist es Nacht, bald sitzen wir 12 Stunden im Wagen
und noch immer ist Berlin nicht erreicht.
Da endlich ist es! Taufende von Lichtern blitzen auf. Wir fahren
zwischen endlosen Häuserreihen dahin, und das Lärmen und Stoßen
der Wagen sagt uns, daß wir in einen großen Bahnhof einmünden.
Da ist er! „Berlin!" ertönt es. Die Türen fliegen auf, alles stürmt
ins Freie. Auch wir verlaffen den Wagen und lassen uns fast willenlos
in dem Menschenstrome mit forttreiben, der den Ausgängen znflntet. Am
Ausgange werfen wir einen Blick auf die hellerleuchtete Uhr: sie zeigt
10 Uhr 45 Minuten. Das halbe Reich liegt hinter uns. Der erste
Reisetag ist zu Ende, was wird der nächste bringen? — Ermüdet von
der Reise verzichten wir darauf, in später Abendstunde noch einen
Spaziergang durch Berlin zu macheu. Wir kennen es ja schon von
früher her (Seite 7). Wir begeben uns in ein Hotel, um einige
Stunden Nachtruhe zu genießen und uns fo zu stärken zur anstrengenden
Weiterfahrt.
Früh 8 Uhr steheu wir wieder auf dem Bahnhofe, um mit einem
anderen Schnellzuge die Fahrt fortzusetzen. Nuu gilt es, im Fluge
Süddeutschland zu erreichen. Bald sitzen wir wieder im Wagen. Wieder
trägt uns der Zug wie gestern dnrch eine weite Ebene. Dutzende von
Stationen durchbraust er, ohne die geringste Kenntnis von ihnen zu
nehmen. Bald liegt Halle (9,50 Uhr) hinter uns, bald auch Weimar
(11,06), und wir nähern uns Erfurt, der Blumen- und Lutherstadt.
Nun wird die Gegend belebter. Berge scheinen aus der Erde zu wachsen.
Das schöne Thüringerland zieht wie im Tranme vorüber. Wie gern
möchten wir verweilen, aber wir müssen fort, nnfer Ziel ist noch so
weit. Wir grüßen auf Augenblicke Eisenach (12,16) und die alte,
herrliche Wartburg und rollen dann weiter, immer weiter nach Süden.