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1. Das Deutsche Reich - S. 253

1912 - Leipzig : Wunderlich
— 253 — nur Farnkräuter wuchern am schwarzen Ried hervor, und wenn der Bauersmann diese Stelle betreten muß, so bekreuzt er sich und eilt schnell vorüber. Hier in dieser öden Wüstenei wurde einst der fromme, gutmütige Kaiser Ludwig von seinen Söhnen gefangen genommen. Es wird erzählt, daß sich einstmals ein müder Wanderer zur Nachtzeit auf diesem Totenfelde verirrt habe. Als die Glocke vom nahen Städtchen die Mitternachtsstunde anschlug, da hörte er plötzlich rings um sich her ein Rauschen und ein Rasseln wie von Waffen und ein Getümmel, wie auf dem Schlachtfelde. Und als er sich erschrocken umblickte, um die Ursache dieses sonderbaren Rauschens und Rasselns zu erspähen, da steht vor ihm die Gestalt eines geharnischten Kriegers und spricht: „Was rief dich, Unglückseliger, in diese Wildnis her? Was rief dich hierher, um uns aus tiefen, schweren Träumen zu wecken? Wisse, da drunten in den Höhlen, in meilenweitem Gange, schlafen Heere schon Jahrhunderte lang. Die Frevel verruchter Söhne, der Bruch geschworener Treue hat längst schon auf uns des Himmels Strafe geladen. Vernimm die grause Kunde: du stehst an derselben Stelle, wo Ludwig der Fromme mit seinem Heere verraten wurde. Wir schlössen dichte Reihen bis an die fernen Berge, um den königlichen Herrn zu schützen, da zog die Heeresfchar der Söhne in blanken Waffen herbei, und vom dumpfen Rauschen dröhnte der weite Rasenplan. Sie stürmten heran, die frevlen Brüder, in ihren Fäusten Schwerter, in ihren Blicken Zorn. Der tückische Lothar schlüpfte durch unser Lager und bot uns blanke Münzen und glatte Worte dar. Ja, selbst der heilige Vater betörte uns den Sinn, schlich durch unsre Reihen und stellte uus vor, daß die Treue Frevel sei, die man dem Sünder erweise; er streute schlimme Saat, bis wir uns verblendet dem Verrate fügten. Drauf schlugen die verruchten Söhne die Hand des Vaters, die dieser bereits zum Frieden entgegenstreckte, in schweres Eisenband, sie rissen ihm die Krone vom silberweißen Haupte und führten den verlassenen Greis hinweg. Da hob der Betrogene Augen und Hände gen Himmel und sprach in bitterstem Schmerzgefühl: „Es gibt keine Treue mehr auf Erden! Gefchworne Treue und Kindesliebe sind nur Trug." — Dann verfluchte er seine entarteten Söhne und ihre Kampfgenossen: Weh, falsche Söldnerschar, so seil und so verrucht! Weh dir, o Lügenstätte — ihr seid fortan verflucht! Und der Himmel hat das Racheflehen des Kaisers erhört! In meilenweiten Gräbern liegen hier auf öder Heide alle jene Meineidigen, die das Unglück des frommen Kaifers verschuldeten. Da schlafen auch die frevelnden Söhne, und wie sie ihrem Vater des Lebens Glück und
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