1912 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Auflagennummer (WdK): 20
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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nur Farnkräuter wuchern am schwarzen Ried hervor, und wenn der
Bauersmann diese Stelle betreten muß, so bekreuzt er sich und eilt
schnell vorüber.
Hier in dieser öden Wüstenei wurde einst der fromme, gutmütige
Kaiser Ludwig von seinen Söhnen gefangen genommen.
Es wird erzählt, daß sich einstmals ein müder Wanderer zur
Nachtzeit auf diesem Totenfelde verirrt habe. Als die Glocke vom
nahen Städtchen die Mitternachtsstunde anschlug, da hörte er plötzlich
rings um sich her ein Rauschen und ein Rasseln wie von Waffen und
ein Getümmel, wie auf dem Schlachtfelde. Und als er sich erschrocken
umblickte, um die Ursache dieses sonderbaren Rauschens und Rasselns
zu erspähen, da steht vor ihm die Gestalt eines geharnischten Kriegers
und spricht:
„Was rief dich, Unglückseliger, in diese Wildnis her? Was rief
dich hierher, um uns aus tiefen, schweren Träumen zu wecken? Wisse,
da drunten in den Höhlen, in meilenweitem Gange, schlafen Heere
schon Jahrhunderte lang. Die Frevel verruchter Söhne, der Bruch
geschworener Treue hat längst schon auf uns des Himmels Strafe
geladen. Vernimm die grause Kunde: du stehst an derselben Stelle, wo
Ludwig der Fromme mit seinem Heere verraten wurde. Wir schlössen
dichte Reihen bis an die fernen Berge, um den königlichen Herrn zu
schützen, da zog die Heeresfchar der Söhne in blanken Waffen herbei,
und vom dumpfen Rauschen dröhnte der weite Rasenplan. Sie stürmten
heran, die frevlen Brüder, in ihren Fäusten Schwerter, in ihren Blicken
Zorn. Der tückische Lothar schlüpfte durch unser Lager und bot uns
blanke Münzen und glatte Worte dar. Ja, selbst der heilige Vater
betörte uns den Sinn, schlich durch unsre Reihen und stellte uus vor,
daß die Treue Frevel sei, die man dem Sünder erweise; er streute
schlimme Saat, bis wir uns verblendet dem Verrate fügten. Drauf
schlugen die verruchten Söhne die Hand des Vaters, die dieser bereits
zum Frieden entgegenstreckte, in schweres Eisenband, sie rissen ihm die
Krone vom silberweißen Haupte und führten den verlassenen Greis
hinweg. Da hob der Betrogene Augen und Hände gen Himmel und
sprach in bitterstem Schmerzgefühl: „Es gibt keine Treue mehr auf
Erden! Gefchworne Treue und Kindesliebe sind nur Trug." — Dann
verfluchte er seine entarteten Söhne und ihre Kampfgenossen:
Weh, falsche Söldnerschar, so seil und so verrucht!
Weh dir, o Lügenstätte — ihr seid fortan verflucht!
Und der Himmel hat das Racheflehen des Kaisers erhört! In
meilenweiten Gräbern liegen hier auf öder Heide alle jene Meineidigen,
die das Unglück des frommen Kaifers verschuldeten. Da schlafen auch
die frevelnden Söhne, und wie sie ihrem Vater des Lebens Glück und