1895 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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kostbarer Ring weggekommen, den er von feinem Busenfreunde, dem Bischof
Gerhard von Meißen, zum Geschenk erhalten hatte. Nun hatte der
Bischof einen alten, wegen seiner Rechtschaffenheit allgemein geachteten
Kammerdiener und einen etwas jüugeren Leibjäger. Letzterer trng aber
schweren Groll gegen ersteren im Herzen, weil er glaubte, daß jener ihm
hinderlich sei, wie er es wünsche, in der Gunst seines Herrn zu steigen.
Derselbe hatte den Raben verschiedene Worte gelehrt, unter anderen auch
den Spruch: „Hans Dieb!" Als nun der Bischof, nachdem er den Dieb-
stahl erfahren, außer sich vor Zorn alle seine Leute streng befragte, um
den Dieb herauszubekommen, da schrie der Rabe auf einmal: „Hans
Dieb! Hans Dieb!" Unglücklicherweise hieß oer alte Kammerdiener
Johannes, und der Bischof hielt den Spruch des Vogels gerade in diesem
Augenblicke für ein Gottesurteil; trotz alles Leugnens und Beteuerns
seiner Unschuld wurde der Greis ergriffen, ins Gefängnis geworfen, vor
das bischöfliche Gericht gestellt und lediglich auf deu durch das Vogel-
geschrei erregten Verdacht hin verurteilt und hingerichtet. Einige Zeit
nachher trng es sich zu, daß bei einem heftigen Sturme das Rest des
Rabeu vom Turme herabstürzte; darin fand sich mancherlei güldenes und
silbernes Kleinod und auch des Bischofs Ring, um den der fromme
Kammerdiener unschuldig hingerichtet worden war. Das traf des
Bischofs hartes Herz wie ein Blitzstrahl, und es ergriff ihn eine bittere
Reue wegen seines Jähzorns, der ihn zu dem ungerechten Urteile veran-
laßt hatte. Er legte sein bisheriges Familienwappen ab und nahm ein
neues an, d. h. er setzte in das Schild einen Raben, der einen Ring im
Schnabel trug, und oben aus der Krone hoben sich zwei Arme und
Hände, deren Finger einen Ring faßten. Dieses Wappen ließ der
Bischof überall anbringen, damit es ihn stets an seine Unthat erinnern
möge und zu steter Buße mahne, innen und außen am bischöflichen Palast,
im Dome, an den Mauern, in den Zimmern, auf deu Gängen, auch an
vielen Häusern der Stadt. Dasselbe Wappen und über demselben das
Bild des hingerichteten Kammerdieners mit aufgehobenen Händen ohne
Kopf erblickt man auch an seinem messingenen Grabdenkmale, welches im
Dome zu Merseburg errichtet worden ist.
Zum ewigen Andenken an diese Begebenheit wird noch heute ein
Rabe in einem stattlichen Käfig auf dem äußeru Schloßhofe zu Merse-
bürg gehalten. Der Wärter desselben genießt eine Pension von 12 Scheffeln
Korn und 12 Thalern, muß aber, wenn der Rabe stirbt, einen andern
anschaffen. Marie Schäling.
5* Die Krebse zu Köln.
Die Stadt Köln war im Mittelalter eine der bedeutendsten Handels-
städte, namentlich blühte das Tuchmacherhandwerk daselbst, und viele
Kölner Kaufleute ließen ihre Schiffe auf der See gehen, wie die