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1. Teil 3 - S. 156

1895 - Leipzig : Wunderlich
lustigen Masken. Natürlich hatten auch die Frauen und Edelfräulein es nicht fehlen lassen, das Fest des Kaisers durch Gold und Geschmeide zu verherrlichen. Und wie es bei einer solchen Veranlassung, bei Musik und Tanz in der Ordnung war. pulsierte in allen Teilnehmern ein freudig bewegtes Leben. Doch nein, nicht in allen! Ein Gast, den niemand kannte, machte eine Ausnahme. Zwar waren sein Benehmen, sein Anstand tadellos, er selbst war ein schön gewachsener, hoher, stattlicher Mann, aber seine Trauerkleidung — er trug ein schwarzes Ritterkleid ohne alle Ab- zeichen, an denen man ihn hätte erkennen können — paßte offenbar nicht in diesen heitern, glänzenden Kreis von Fürsten, Rittern und Edelfrauen, die mit ihrem Herrn und Kaiser ein fröhliches Fest begingen. Natürlich war der fremde Gast für alle, insbesondere für die Damen, ein Stück der Neugierde, und als er gar stolzen Schrittes aus die Königin zugiug, bescheiden ein Knie vor ihr beugte nud sie um die Ehre eines Tanzes bat, da steckten alle die Köpfe zusammen und harreten, was wohl die Fran Königin sagen und thuu werde. Die Königin stieg lächelnd von ihrem erhöhten Sitze, reichte dem Unbekannten freundlich die Hand und flog dann leichten und zierlichen Schwunges mit ihm die langen Reihen im Saale dahin — sie entsann sich nicht, jemals mit einem besseren, gewandteren Tänzer getanzt zu haben. Sie entsann sich aber auch nicht, jemals anmutiger, angenehmer unterhalten worden zu fein, als sie von dem Unbekannteil während und nach dem Tanze unterhalten wurde; er wußte so leicht und ungezwungen und dennoch so achtungsvoll mit ihr zu sprechen, daß sie ganz unwill- kürlich einen Vergleich mit ihm und denen, die bis dahin mit ihr in Be- rührung gekommen waren, in Gedanken anstellte, der offenbar zu seinem Gunsten aussiel. Und darum bewilligte sie ihm huldvoll nicht nur den zweiten Tanz, um den er bat, sondern auch den dritten und vierten. Das erregte natürlich große Verwunderung und viel Neid unter den Fürsten und Rittern, deren keiner einer ähnlichen Gunst sich rühmen konnte; unter den Damen aber steigerte es die Neugierde, wer der glück- liche Unbekannte sein möge, im höchsten Grade, und alle, der Kaiser selbst nicht ausgenommen, sahen mit brennender Ungeduld der Stunde entgegen, wo nach dem Maskengesetze jeder, also auch der Unbekannte, sich werde zu erkennen geben müssen. Ja, diese Ungeduld, diese Neugierde beherrschte alle Anwesenden so sehr, daß sie sogar vergaßen, sich selber dem Vergnügen des Tanzes hinzugeben — ein Opfer, das den Damen und Edelfräulein gewiß nicht leicht wurde. Endlich, endlich kam der Augenblick, wo jeder die verhüllende Maske vom Gesicht nehnien mußte. Alle thaten es, aber der Unbekannte schlug sein Visier nicht zurück und weigerte sich auch, es zu thuu, bis endlich die Königin ihm befahl, das Visier zu öffnen. „Majestät", bat er, „gebt mir Urlaub, ich muß nach Haufe gehen!" —
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