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1. Heimatkunde vom preußischen Regierungsbezirk Kassel (Kurhessen) - S. 32

1905 - Frankfurt a. M. Leipzig : Neumann Kesselring
— 32 — und dem Werratal durchfurcht. Die bedeutendsten Erhebungen sind die nördlichen Vorberge der Rhön (darunter der breite Landecker), der Tullings- wald und der östliche Teil des Knüllgebirgs. An der Vereinigung von Fulda und Haune liegt die Kreisstadt Hersfeld mit 8500 Einwohnern. Sie ist eine der gewerbtätigsten Städte nnsers Regierungsbezirks. Bon Bedeutung sind ihre Wollentuchfabriken. Hersfeld hat ein Gymnasium, eiue Kriegsschule und Garnison. Der Gründer der Stadt war der heilige Lullus, Erzbischos von Mainz, welcher hier 769 ein Kloster stiftete. Das Luttusfeft in Hersfeld. Das größte Fest der Hersfelder ist ihre Kirchweihe, das sogenannte Lullussest. Dasselbe füllt die ganze Woche aus, in welche der Gedächtnistag (Todestag) des hl. Lullus, der 16. Oktober fällt. Im achtzehnten Jahrhundert war das Lullusfest eines der heitersten Volksfeste. Da wurde am Lullusmontage unter dem ständigen Rufe „Bruder Lolls" auf dem Markte eine Bretterbude gebaut und ein großer Holzstoß ausgerichtete Mittags um 12 Uhr zündete man den Holzstoß an, die Glocken läuteten das Fest ein, und tausendstimmiges Lollsrufen erscholl. Nun erschienen die beiden Bürgermeister der Stadt, begleitet von dem in einem blauen Mantel gehüllten städti- schen Wagemeister und dem Stadtdiener. Letzterer warf aus einem großen Sacke fort- während Nüsse unter die Schuljugend, unter welcher sich nun eine gewaltige Balgerei erhob. Die Alten belustigten sich in der Bude mit Speise und Trank, Musik und Tanz. Das Lollsfeuer brannte unterdessen Tag und Nacht fort und wurde erst in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag gelöscht. Die Bude wurde nun wieder ab- gebrochen, die Lustbarkeiten aber setzte man noch bis zum Sonntage fort. Das heutige Volksfest ist mit dem früheren nicht mehr zu vergleichen. Doch noch immer begrüßt man sich mit dem lauten Zurufe „Broder Lolls!" und noch brennt das Feuer auf dem Markte. Die Stadt Hersfeld, welche neben dem Kloster des hl. Lullus eut- stand, wurde der Sitz eiues geistlichen Fürstentums, der Abtei Hersfeld. Diese wurde später in ein weltliches Fürstentum umgestaltet und stel nach dem 30jährigen Kriege an Hessen. Im 7 jährigen Kriege zerstörten die Franzosen die prächtige Stiftskirche, deren Ruinen noch stehen. Die Plünderung von Hersfeld 1807. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts eroberten die Franzosen Kurhessen. Badische Truppen, welche mit ihnen verbündet waren, besetzten die Stadt Hersfeld. Die Ein- wohner dieser Stadt waren aber mit der französischen Herrschaft unzufrieden und er- laubten sich Widersetzlichkeiten, wobei ein französischer Soldat das Leben verlor. Da verhängte der französische Kaiser Napoleon I. eine schwere Strafe über die Stadt. Hersfeld sollte geplündert und dann niedergebrannt werden. Die Strafe wurde nachher zwar gemildert, es sollte bei der Plünderung bleiben, aber das war noch hart genug. Als die schreckliche Stunde schlug, trat der Kommandant von Hersfeld vor die Reihen seiner badischen Jäger, stellte ihnen zuerst das traurige Schicksal der Einwohner leb- hast vor die Augen und sagte hierauf: „Soldaten, die Erlaubnis zu plündern fängt jetzt an. Wer dazu Lust hat, der trete aus dem Glied!" Aber kein Mann trat heraus. Nicht einer! Der Aufruf wurde wiederholt, aber kein Fuß bewegte sich. Niemand wollte sich an der Habe seines deutschen Mitbruders vergreifen. So wendete der
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