1871 -
Breslau
: Hirt
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Einleitung.
Iii
Als mit dem Ausgange des Musischen Hauses, das die Glanzperiode des deutschen
Reiches bezeichnet (die großen Dichter Wolfram von Eschenbach, Wallher von der Vogel-
weide, Gottfried von Straßburg), die alten Herzogthümer sich in zahlreiche kleinere erbliche
Lehne aufgelöst hatten, während in den eroberten slavischen Ländern neue mächtige Reichs-
Mitglieder (die Markgrafen von Brandenburg und Meißen, die Herzoge von Oesterreich, die
Könige von Böhmen) entstanden waren, wurde eine Regulirung der Ansprüche der Reichs-
surften auf das Stimmrecht bei der Kaiserwahl nothwendig. Dieselbe wurde 1356 unter
Karl Iv. getroffen durch
1) Die goldene Bulle, das erste deutsche Reichsgrundgesetz. Durch dasselbe wurde
das Kursürsten-Kollegium festgestellt, d. h. es wurden den Kaiser zu küren (wählen) berechtigt
drei geistliche und vier weltliche Fürsten: der Erzbischof von Mainz, Erzkanzler durch
Germanien; der Erzbischof von Trier, Erzkanzler durch Gallien und das Königreich
Arelat; der Erzbischof von Köln, Erzkanzler durch Italien; der König von Böhmen,
Erzschenk; der Pfalzgraf am Rhein, Erztruchfeß; der Herzog von Sachsen«
Wittenberg, Erzmarschall; der Markgraf von Brandenburg, Erzkämmerer.
Die Kur des Kurfürsten von der Pfalz kam 1623 an den Herzog von Bayern. Dafür
erhielt der Pfalzgraf am Rhein im westfälischen Frieden die achte Kur, die indessen wiederum
einging, als 1779 Pfalz und Bayern vereinigt wurden. Dafür rückte der um 1692 zum
neunten Kurfürsten ernannte Herzog von Braunfchweig-Lüneburg (Hannover), d. H.
R. R. Erzfchatzmeister, in die achte Stelle. Zu Napoleon's Zeit, nach 1803, gab es sogar
zehn Kurfürsten, nämlich an Stelle des Kölner und Trierer, noch die Kurfürsten von Salz-
bürg (später Würzburg), Württemberg, Baden und Hessen-Kassel.
2) Das zweite deutsche Reichsgrundgesetz ist der unter Maximilian I. 1495
erlassene ewige Landfriede, wodurch die Gründung des Reichskammergerichts, des
Reichshofrathes zu Wien und die Emtheilung in folgende 10 Kreise bewirkt wurde:
der Schwäbische, der Bayerische, der Oesterreichische, der Fränkische, der Bur-
gundische, der Kurrheinische, der Oberrheinische, der Westfälische, der
Niedersächsische (diesseits der Weser, Braunschweig, Holstein, Mecklenburg, Magdeburg
und Halberstadtj und der Obersächsische (die nunmehr sogenannten sächsischen Länder,
erner Brandenburg und Pommern).
3) Das dritte Reichsgrundgesetz war der westfälische Friedensschluß,
welcher den Fürsten die Landeshoheit verlieh, d. h. die Selbstständigkeit in inneren Regie-
rungs- und Glaubenssachen, und das Recht, mit auswärtigen Mächten Verträge und Bünd-
nisse zu schließen, die aber nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet sein durften.
Das vierte wichtige Reichsgrundgesetz war die seit Karl V. gewöhnliche Wahl,
kapi tulation. Durch sie kam es dahin, daß dem Kaiser nichts weiter blieb, als das
sogenannte Schutzrecht über die katholische und evangelische Kirche, das Recht. Begnadigungen
und Privilegien, Titel und Wappen zu ertheilen, Standeserhöhungen vorzunehmen, mit
Reichslehnen zu belehnen und in Reichslehnsachen Recht zu sprechen, wofür er ein Einkom-
men von wenig mehr als 100,000 Gulden bezog. Zu allem, was des Reiches Sicherheit
anging, bedurfte er der Einwilligung der Kurfürsten, und zu Achtserklärungen, Gesetzen,
Auflagen, Reichskriegen und Münzangelegenheiten gehörte die Genehmigung der Reichs-
stände, die seit 1663 auf dem permanenten Reichstage zu Regensburg vertreten waren.
Von 1762 selbstständigen Gebieten (darunter 51 Reichsstädte) hatten 296 Antheil an der
Regierung des Reiches, d. h. sie hatten auf dem Reichstage theils volle Stimme, theils An-
theil an Gefammtstimmen. Das Reichsheer bestand aus 120,000 Mann.
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