1912 -
Arnsberg i. Westf.
: Stahl
- Autor: Niebecker, Th.
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Rheinland, Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Die Oberrheinische Tiefebene.
49.
Rhein. Er hat noch etwas von der Natur der Gletscherströme bewahrt; er
ist der „höchstgeborene" unter Deutschlands Strömen. Aus dem ^.omasee
(2352 in), der von Gletscherbächen gespeist wird, stürzt er von dem mächtigen
Gebirgsblock des St. Gotthards; von links und rechts eilen ihm Bäche zu, die
fast alle seinen Namen führen.
Am Fuße der Alpen ergießen sich seine schnell angewachsenen Fluten in den
Bodensee, um sich darin zu reinigen wie in einem Bade. Dort läßt er die
mitgeführten Geröll- und Sandmassen zurück. Nach und nach verliert er darin
seine schmutzig graue Farbe, um ihn mit klaren, grünlich schimmernden Wogen
zu verlassen. Der See aber trägt die üblen Folgen davon; er wird dadurch
immer kleiner, wie besonders das Einmündnngsgebiet erkennen läßt. Doch
werden wohl noch viele Jahrtausende dahingehen, ehe der See ganz angefüllt ist;
denn er ist 540 qkm groß (= %0 Rheinprovinz, = ]/37 Westfalen, — Viooo
Deutschland) und hat eine Tiefe, die bis 252 m (Cölner Domtürme 156 m)
reicht. Wegen seiner Tiefe friert er nur selten zu, im vorigen Jahrhundert
nur zweimal. Er liegt in einer weiten, warmen Mulde, die sich durch Frucht-
barkeit auszeichnet; Obst und Wein gedeihen in glücklicher Fülle; sie steht dem-
nach in starkem Gegensatz zu der benachbarten Süddeutschen Hochebene. Der
See ist ein großer Freund der Umwohner; er gewährt ihnen reiche Beute au
Fischen; Schiffe aller Art beforgeu den lebhaften Verkehr zwischen den fünf
anstoßenden Ländern: Schweiz, Österreich mit der Hafenstadt Bregenz,
Bayern mit Lindau, einer Stadt, die auf einer durch einen Damm mit dem
Ufer verbundenen Insel liegt, Württemberg mit Friedrichshafen (Zeppelin),
Baden mit Konstanz. Der See teilt sich nach Westen in zwei Arme, den
Überlinger- und den Untersee. In jenem liegt die Insel Mainau, die Perle
des Bodensees; aus diesem fließt der Rhein nach Westen weiter.
Bald tritt ihm ein niedriges Kalksteingebirge, das Bindeglied zwischen dem
Fränkischen und dem Schweizer Jura, hemmend entgegen. In Vieltausend-
jähriger Arbeit hat er ein- schluchtenartiges Tal hindurch genagt. Aber noch
hindert eine mächtige Felsenbarre eine Stunde unterhalb Schaffhausens seinen
ruhigen Weiterlauf. Die gewaltigen Wassermasfen (700 cbm in einer Sekunde)
stürzen sich darüber hinweg in das 15—24 m niedrigere Bett. Diese unablässig
sich drängenden Wellen, die im ständigen Kampfe mit den glatt polierten Stein-
blocken und den hohen Felsenriffen bald sie grollend umströmen, bald aufjauchzend
über sie hinwegsetzen, dann in kühnem Sprunge iu die Tiefe jagen, aus der
sie schäumend, hoch aufspritzend, in Nebel zerteilt emportauchen, bieten einen
unvergleichlich fesselnden Anblick. Aber noch mächtiger packt den stillen Beobachter
das großartige, wundervolle Tonwerk, das da nicht allein an seine Ohren dringt,
sondern auch seinen ganzen Körper durchbebt. Aus der Tiefe heraus donnern
in stetem Gleichmaße die aufschlagenden Massen den urmächtigen Grundbaß, und
darauf bauen die brausenden Wogen, die gurgelnden Schlünde, die rauschenden
Wellen, der zischende Gischt eine immer wechselnde und doch immer wieder-