1896 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Das hessische und Weser-Bergland.
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Wiehengebirge ausbreitet. Der nähr kräftige Keuperboden
ist es, der dort die Grundlage eines ergiebigen Feldbaues bildet. —
Blühender Ackerbau.
Die Viehzucht steht ungefähr auf der gleichen Stufe wie
im Hessenlande. Den grössten Pferde- und Rindvieh be-
st and finden wir im Nordwesten des Gebietes zwischen der
Weser und Ems (ungef. 10 Pferde und 40 Rinder auf 1 qkm).
Eine bedeutende Stellung nimmt auch die Schweinezucht
ein. (Westfälische Schinken und Wurstwaren sind berühmt). Sie
wird in dem nämlichen Bezirke am stärksten betrieben. Desgleichen
ist die Gänsezucht viel verbreitet. — Viehzucht, im allge-
meinen mittelmässiger Betrieb, starker Betrieb zwi-
schen der Weser und Ems.
In den Weserdörfern ist das Viehaustreiben auf die Gemeindeweide
noch allenthalben Sitte. Es hat diese Einrichtung für alle Gegenden, wo die
Unteilbarkeit der Bauerngüter besteht, eine hohe wirtschaftliche Bedeu-
tung. Neben wenigen Beichen giebt es zahlreiche Arme, die keinen Grundbe-
sitz haben, und denen es nur durch eine solche Gemeindeeinrichtung möglich
gemacht wird, einen kleinen Viehstand zu halten.
In dem weiten Bezirke um die Stadt Bielefeld, also
zwischen Weser und Ems, wird viel Flachs gebaut; auch Hanf-
bau wird dort betrieben. Für die beiden Gewächse passen nicht
allein die Bodenverhältnisse, sondern auch die klima-
tischen Verhältnisse. Infolge der ziemlichen Nähe des Meeres
ist die Sommertemperatur eine kühle (16—17° C). Das gewonnene
Gewächs ist von hervorragender Güte. — Flachs- und Hanfbau.
Der Hanf (Cannabis sativa) ähnelt in seinem äussern Wachstum seinem
Zwillingsbruder, dem Flachse (s. S. 114), nicht im geringsten. Er ist eine hoch
und üppig wachsende Pflanze mit gefingerten, 5-zähligen Blättern. Die männ-
liche Pflanze wird vom Volke Fimmel, die weibliche Mäschol genannt.
(Fimmel v. lat. femella, Mäschel v. masculus ; das Volk gebraucht also die Namen
verkehrt, wahrscheinlich weil es die kräftigere weibliche Pflanze für die männ-
liche gehalten hat).
Der Hanf gilt als eine Pflanze, die wie wenige andere den klimatischen
Unterschieden trotzt und sowohl in nördlichen als auch in südlichen Breiten ge-
deiht. Er verlangt aber wie der Flachs einen t i e f g r ü n d i g e n und f e u c h ten
Boden.
Die Verwendung des Hanfes ist die gleiche wie die des Flachses, nämlich
zur Faser- und zur Oelgewinnung. Erstere wiegt jedoch bei ihm noch
mehr vor. Zur Oelgewinnung wird er nur in Bussland gebaut, wo das Hanföl
während der griechischen Fasten allgemein als Nahrungsmittel dient. Die Hanf-
faser ist stärker als die Flachsfaser ; sie wird für gröbere Gespinnste, so-
wie für Seile und Taue verwandt.
Die Verbreitung des Hanfbaues ist 'andern Kulturpfaden gefolgt
als die des Flachsbaues. Bei den mongolisch-tartarischen Völkern
scheint er seine älteste Heimstätte gefunden zu haben. Von Gentraiasien aus,
wo diese ihre frühesten Stammsitze hatten, verbreitete er sich sowohl über China,
Korea und Japan als auch über Vorderasien und Europa. In den
ka spi sehen und Aral gegen den soll der Hanf noch heute wild wachsen
und sich zu grosser Ueppigkeit entfalten. Die Ausbreitung des Hanfbaues über
Vorderasien und Europa erfolgte in einer spätem Zeit als die des Flachsbaues.
Die alten Aegypter und Phönizier kannten den Hanf nicht. In Ita-lien scheint
er seit dem 1. Jahrh. v. Chr. bekannt zu sein. Bei den germanischen Völkern
hat er bei weitem nicht die grosse Verbreitung wie der Flachs gefunden. Im
Mittelalter ragte in Deutschland Strassburg durch sein Hanfgewerbe hervor;