1911 -
Frankfurt a.M.
: Auffarth
- Autor: Wehrhan, Karl, Schmidt, Friedrich Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Frankfurt (Main)
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
8. Die Freude des Wiedersehens ist groß. Und was gibt es
jetzt nicht alles zu erzählen! Das Weibchen will wissen, wie das
Männchen den harten Winter überstanden hat, ob es genug Nahrung
auf dem Schulhof gefunden hat, oder ob es in die Anlagen oder
gar in den Wald fliegen mußte, um sich dort sein täglich Brot zu
suchen. Und dann erzählt es von seiner langen, gefahrvollen Heim-
reise. So vergehen die ersten Tage des Wiedersehens. Aber bald
drängt die Zeit) denn das glückliche Paar möchte nun ein Häuschen
haben. Flugs geht es an die Arbeit.
9. Moos, zarte Würzelchen und Hälmchen, vielleicht auch
Papierstückchen vom Schulhof werden mit dem kurzen, dicken
Schnäbelchen herbeigetragen. Ein schützender Gabelzweig in der
höchsten Spitze des Kastanienbaumes war schon längst gefunden.
Bald formt sich dort ein kunstvolles Nest. Die Außenwände werden
mit Moos und Flechten, die die Farbe der Baumrinde haben, über-
zogen. Des Feindes Auge soll ihr trautes Heim nicht leicht ent-
decken. Endlich ist das Nest fertig. Nun legt das Weibchen 5 bis
6 zartfchalige Eier hinein und beginnt sie auszubrüten. Das
Männchen leistet ihm in der Nähe liebevolle Gesellschaft. Es er-
freut es durch feinen schmetternden Gesang und wacht, daß kein
Störenfried sich ihrem glücklichen Heime naht. Schon nach 14 Tagen
wird es lebendig in dem Nest. Ein leises Piepsen deutet an, daß
nun 5 hungrige Gelbschnäbel mehr auf dem Schulhof sind. Jetzt
gibt es Arbeit für das Elternpaar vom frühen Morgen bis zum
späten Abend, und das Männchen hat selbst zum Singen keine
Zeit mehr. Es gilt, Nahrung für die junge, hungrige Schar
herbeizuschaffen. Von Baum zu Baum, von Strauch zu Strauch,
auf den Schulhof und in den Schulgarten fliegen die Alten, um
ein Würmlein oder ein Infekt für ihre Jungen zu erspähen. Und
wie es den Kleinen mundet! Kein Wunder! Schon nach 14 Tagen
sind sie so kräftig geworden, daß sie den ersten Ausflug wagen
können. Wie sich da die Finkeneltern freuen, gerade wie eine
Mutter, wenn ihr Kindlein den ersten Schritt allein in der Stube
tun kann. Gib hübsch acht, vielleicht kannst du einmal solch junge
Finklein im Schulhof bei ihrem ersten Ausflug sehen! Sie stiegen
nicht weit. Schon aus dem nächsten Baume lassen sie sich nieder
und rufen beständig mit ihrem hellen „Pink, pink" nach der Mutter.
Kommt sie endlich angeflogen, so strecken sie ihr hungrig das
weitgeöffnete Schnäbelchen entgegen und verschlingen gierig das
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