1911 -
Frankfurt a.M.
: Auffarth
- Autor: Wehrhan, Karl, Schmidt, Friedrich Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Frankfurt (Main)
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
des Rauhreifes. Zwei Raben, die auf einem Geländer unter einem
besonders stattlichen Baume saßen, waren ganz erstaunt über diese
Winterherrlichkeit. „Ist es denn Frühling geworden?" fragte der
eine. Es war das Männchen. „Du meinst, weil die Bäume aus-
sehen, als wäre Blütenschnee über Nacht aus sie gefallen!" erwiderte
seine Frau. „Das ist nicht der Lenz, das ist der schlimme Winter,
der im Gewand des Frühlings Menschen und Tiere täuschen will.
Mir ahnt nichts Gutes. Das Silbernetz, das er über Gräser,
Sträucher und Bäume geworfen hat, deutet auf große Kälte. Ich
fürchte, wir ziehen bald in die Stadt." Und Frau Rabe hatte recht.
3. Gerade am Tage vor Weihnachten überzog sich der Himmel
mit grauen Schneewolken. Am Christabend fing es an zu schneien,
erst langsam und dann immer dichter und dichter. Das waren
herrliche Weihnachten, nicht nur drinnen in: Stübchen unter dem
strahlenden Christbaum, vor den herrlichen Geschenken, nein, sondern
anch draußen in der Natur! Frau Holle hatte richtig die frierende
Erde in eine weiße, weiche Decke gehüllt. Die zarten Pflänzchen
freuten sich, daß ihnen der Winter nun nichts anhaben konnte mit
seiner Kälte. Denn der Schnee hält warm und — nährt den
Boden. Die Anlagen, die Straßen, die ganze Stadt sahen aus,
als hätten sie zum heiligen Christfest ein ganz neues, weißes
Gewand angelegt. Und erst das Feld, der Wald und dann die
Berge! Das war eine Freude für jung und alt!
4. Am 2. Weihnachtsfeiertag konnte man auf dem Haupt-
bahnhof ein merkwürdiges Leben und Treiben sehen. Hunderte
von Leuten waren da, um in den Taunus zu fahren. Die einen
hatten Rodelschlitten aus dem Rücken, andre trugen lange Schnee-
schuhe aus der Schulter, und wieder andre wollten nur eine Fuß-
tour auf den Feldberg in der guten, reinen Luft machen. Viele
Kinder aber vergnügten sich in der Stadt mit dem neuen Schlitten,
den sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatten.
5. Am dritten Feiertag hörte es auf zu schneien, genau,
wie es die Zeitungen vorausgesagt hatten. Es wurde kalt. Schon
am nächsten Tage wölbte sich ein blauer Himmel über der Stadt.
Nur am Horizont war es etwas dunstig. Das Thermometer
sank immer mehr. In der folgenden Nacht stand es schon aus
— 6 Grad. Bald spürten Menschen und Tiere die Herrschast des
gestrengen Herrn. Vögel kamen in größerer Anzahl in die Stadt,
um sich vor Kälte und drohender Nahrungsnot zu schützen.
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