1871 -
Hannover
: Klindworth
- Autor: Guthe, Hermann
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Hannover
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Gericht. Im Jahre 1249 erhielten die Bürger die Ermäch-
tigung, für die Festungswerke der ^-tadt zu sorgen, die Thore der
Stadt zu öffnen und zu schließen; aber erst im Jahre 1449 gieng die
Stadtvogtei ein. Nur an einzelnen Stellen der Stadt bewahrte der
Bischof sein Gerichtsrecht. So namentlich aus der sog. Freiheit, der
Umgebung des Doms und des Stiftes zum heiligen Kreuze, welche so-
mit gewissermaßen eine Stadt in der Stadt bildete. Auch die Kloster-
Höfe hatten bis zur Zeit der Reformation ihre Vogtstätten aus ihrem
Grund und Boden. Im übrigen war die Waltung der städtischen
Obrigkeit so gut als unabhängig von dem Bischof. Allerdings hul-
digte man demselben; aber das war mehr eine bloße Respektsbezeu-
gung, da der Huldigung jedesmal des Bischofs Bestätigung aller Pri-
vilegien und Freiheiten der Stadt vorausgieng. Und so hat sich in
Hildesheim dies Verhältnis bis zum Jahre 1805, als das Bisthum als
weltliches Fürstenthum sein Ende fand, und die Herrschaft an Preußen
übergieng, erhalten.
Verloren auf solche Weise die Landesherren in den Städten mehr
und mehr an Einfluß und Bedeutung, so pflegten sie wohl neben der
alten Ansiedelung eine neue zu gründen, in welcher sie ihre sürstlichen
Rechte in größerem Umfange handhaben konnten. So entstand z. B.
allmählich neben der Altstadt Hannover die Neustadt, deren Bürger an
dem städtischen Vermögen (Holznutzung, Weide u. dgl.) nicht den ge-
ringsten Antheil hatten, unter herrschaftlichem Gerichte standen, ja nicht
einmal das Patronat über die Kirche besaßen. Im Jahre 1714 wurde
der Ort zu einer Stadt erklärt und ihm das Recht ertheilt, einen Abgeord-
neten in die Landschaft zu schicken. Erst 1824 wurden beide Städte zu
einer einzigen vereinigt.
An anderen Orten gelang es aber den Landesherren nicht, neben
der alten Stadt neue Gründungen zur Blüte zu bringen. So hatten
z. B. unter dem Schutze der Bischöfe von Hildesheim sich im Jahre
1196 gewerbsleißige Niederländer zwischen der Stadt und dem Moritz-
berge angesiedelt und den Flecken Damm gegründet. Aber bei Ge-
legenheit einer Fehde mit ihrem Bischöfe zerstörten die Bürger den aus-
blühenden Ort und zwangen die Bewohner desselben, in ihre Stadt zu
ziehen. Gleicherweise hatten sich im Osten der Stadt Bewohner zerstörter
Dörfer angesiedelt, welche ein eigenes Gemeinwesen — die Ne ustadt —
bildeten, welches unter dem Schutz und der Gerichtsbarkeit des Dom-
probstes stand und eigenen Markt und eigene Gilden besaß. Auch sie
mußte sich 1583 mit der Altstadt verbinden, so jedoch, daß der Dom-
probst einige Rechte behielt.
So sind allmählich unsere Städte zu großen Freiheiten und be-
neidenswerther Selbständigkeit gelangt, und erst, nachdem unser Staats-
leben ganz andere Formen und Inhalt angenommen hat, haben sie ihre
alten Vorrechte zum Theil aufgeben müssen. Manches aber, z. B. das
Patronat der Kirchen und Schulen, die eigene Polizeiverwaltung bleibt
ihnen wohl mit Recht auch in der neueren Zeit.—Ihre Selbständigkeit
in der alten Zeit beruhte einzig und allein auf ihrer inneren Kraft,
auf der Opferwilligkeit, Hingebung und Tapferkeit ihrer Bürger, und
da die Nachbarstädte in durchaus gleicher Lage waren, so verband man
sich zu gegenseitigem Schutze. Solcher Einzelbündnisse sind gar viele