1871 -
Hannover
: Klindworth
- Autor: Guthe, Hermann
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Hannover
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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sein Streben mehr auf Aeußeres, als auf innere Besserung gieng. Die
drei Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams, welche in
Männer- und Frauenklöstern gleichmäßig übertreten wurden, schärfte
Busch allerdings ein, aber sein Hauptziel war es, im Remter (Speise
saal), im Schla^aal, aus dem Chore, im Gesänge und der Kleidung
strenge Ordnung einzuführen.
Einen zweiten Ausgangspunkt reformatorischer Bestrebungen bil-
detedas Benedictinerkloster Bursfelde an der Weser zwischen Mün-
den und Höxter belegen. Johannes von Nordheim, ursprünglich Abt
zur Clus bei Gandersheim, später in Bursfelde, führte hier eine bessere
Klosterzucht ein. Unter seinem Nachfolger Johann von Hagen wurde
hier eine eigene Verbindung, die Bursfelder Kongregation genannt, ge-
gründet, an der bald mehre hundert Benedictinerklöster, zum Zweck der
gegenseitigen Visitation, Beaufsichtigung und Reformation Antheil
nahmen. Aber auch hier kam es wesentlich nur zu einzelnen Ver-
besserungen im äußerlichen Leben.
Tiefer giengen reformatorische Bestrebungen, welche ihrenursprung
indenniederlanden hatten. Gerhard Groot sammelte in derzweiten
Hälfte des 14ten Jahrhunderts zu Deventer in Holland eine Anzahl
von Freunden und Schülern um sich und bildete daraus eine gewissen
Vorschriften untergegebene Gesellschaft. Ein stilles ehrbares Leben, gegen-
feitige Unterstützung, Andachtsübungen, Arbeiten, namentlich Ab-
schreiben der heiligen Schrift, und Unterricht war der Zweck der Gesell-
schaft. Bald bildeten sich auch an anderen Orten solche Verbindungen
und nannten sich Brüder vom gemeinsamen Leben. Sie legten kein
Klostergelübde ab, lebten aber in Bruderhäusern zusammen, zerfielen
in Priester, Kleriker (Mönche) und Laien, hielten gemeinsame Kasse
und gemeinsamen Tisch und waren nach der verschiedenen Bildung und
Begabung eines jeden für die Anstalt und deren Zwecke thätig. Der
größte Mann, welcher aus dieser Genossenschafthervorgieng,warthomas
von Kempen, gewöhnlich lateinisch Thomas a Kempis genannt, dessen
Buch von der Nachfolge Christi nach der Bibel vielleicht das gelesenfte
Buch der Welt ist. Auch bis in unser Land haben sich ihre Häuser ver-
breitet, und namentlich bestand ein solches in Hildesheim bis zur Zeit
der Reformation, wo es dann inden Besitz von Capuzinermönchen über-
gieng. Auch hier verfehlte ihre Demuth und ungeschminkte Frömmig-
feit ihre Wirkung nicht. Indes läßt sich nicht verkennen, daß auch bei
ihnen der Grundirrthum vorwaltete, daß um fromm sein zu können, man
die Welt fliehen müsse. Der Heldenmut!) des wahren Christen, der
mitten in der Welt, mitten in ihren Leidenschaften und Verführungen,
mitten in ihren Kämpfen um Ehre und Einfluß, um Mein und Dein
seinen Ueberzeugungen getreu bleibt und allein dem Paniere Christi
des Erlösers folgt, konnte in ihrem weltabgeschiedenen Stillleben nicht
gedeihen. Das uns gezeigt zu haben, aus Weltflüchtigen uns zu
Weltsiegern gemacht zu haben, ist das große Verdienst Luthers und sei-
ner Reformation, deren Verfolg wir hier natürlich nicht erzählen können.
Wohl aber mag darauf aufmerksam gemacht werden, wie das von Witten-
berg ausgehende Feuer so rasch alle Gemüther ergreifen konnte. Zuerst
waren es Luthers Schriften, die in ihrer kernigen Kürze und ohne die
Zuthat falscher Gelehrsamkeit allem Volke verständlich waren, so daß