1911 -
Magdeburg
: Creutz
- Autor: Henze, Theodor, Kohlhase, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Sachsen (Provinz), Anhalt
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
92 4. Der Harz.
Der Bewohner des Unterharzes unterscheidet sich wenig in seinen
Charaktereigenschaften von den Bewohnern der Ebene. Der Oberharzer ist
fast schmächtig, ja schwächlich zu nennen; aber er arbeitet mit Leichtigkeit,
Gewandtheit und zäher Ausdauer, als wären seine Mnskeln von Eisen
und seine Gelenke von federndein Stahle. Bei aller Armut ist der Harz-
bewohner gastfrei, gesellig und liebt ein heiteres Vergnügen. Für Musik
und Gesang hat er große Begabung. Die Zirher und das Horn werden
von ihm oft meisterhaft gespielt. Seine Vorliebe zur Jagd läßt ihn nicht
selten zum Wilddieb werden. Er hält zäh fest an den Sitten der Vor-
eltern. Der Sohn wird, was der Vater war. Von seinen Bergen kann er
sich nicht lange trennen. Wie die Väter, so hegt er alte Festgebräuche.
Am Osterheiligabend zündet er auf den Bergen Ofterfener an und ver-
zehrt am ersten Festtage sein „Osterlamm"; am Johannistage seiert er
unter grünen Tannenbäumen das Johannisfest und schmückt die Häuser
mit Blumen und Kränzen.
F. Geschichtliches.
Das Harzgebirge rvar lange Zeit unbewohnt. Am frühesten wurde sein
Fuß — Quedlinburg, Werla, Bodfeld waren um 90v die Lieblingsorte Heinrich 1.
und Otto I- —, am spätesten der Oberbarz besiedelt (Anfang 1300). Als die
ersten Um- und Anwohner nennt die Geschichte die Cherusker, d. f). Schwert-
männer; dann folgen die Sachsen, die Thüringer, die Hessen, die Friesen, die
Flamländer. Etwa im 7. Jahrhundert ließen sich auch slawische Völker, die
korben, am Harze nieder.
Aus der Endung der Ortsnamen kann man häufig auf die ersteu Bewohner
schließen- too waren die jetzt auf -itz, -isch endigenden Orte ehemals Wohnstätten
der Sorben^ Die von den Sachsen stammenden Ortsnamen endigen meist auf hausen
und -heim, während die Thüringer -leben und -stedt (Wohnstätte, Haus) wählten oder
die Bodenbeschaffenheit -berg, -dach berücksichtigten. Die ersten Anfänge der Orte
waren Einzelgehöfte, erst die Endung -dors deutet ein geineinsames Zusammen-
wohnen vieler an. Als die Bevölkerung wuchs, wurden die schmalen Täler zu
eng und konnten die Menge nicht mehr ernähren: da mußte man das Gebirge
beziehen. Wo aber Dickicht das Vordringen und die Besiedlung hinderten, rodete
man den Wald mit der Axt (Jener) aus und entwässerte die Moräste. Die neuen
Siedlungen, die entstanden, erhielten meist die Endung -rot (-rode), -holz, -loh,
-feld, -Hägen, -Hain, -schwende (durch Feuer verschwunden). Die Kunde von den
reichen Erzlagern lockte vom zwölften Jahrhundert an aus den verschiedensten
Gegenden Einwanderer herbei, so die Flamländer, die Obersachsen. Die Schrecken
des 30jährigen Krieges verbreiteten sich auch über das Harzgebiet. Der Herzog
Friedrich Ulrich richtete eine herzbrechende Klageschrift an den Kaiser und bat um
Beistand. Vergeblich! In ihrer Verzweiflung taten sich die Bauern zusammen,
um sich selbst ihrer Peiniger zu erwehren. Sie nannten sich „Harzschützen" und
waren den wilden Kriegern ein schlimmer Feind, weil sie jeden Schlupfwinkel
kannten. Was sie dem Feinde abnahmen, teilten sie mit der armen Bevölkerung.
(Noch jetzt heißt die Straße, die vom Auerberge nach Stiege führt, die Harz-
schützenstraße.) Am 27. August 1626 wurde am nordwestlichen Fuße des
Harzes bei Lutter eiue Schlacht geschlagen, die für die Evangelischen verloren
ging. Die Bevölkerung des Harzes ist größtenteils evangelisch. Der Harz ge-
hört jetzt zu drei Ländern, zum Königreich Preußen, zu den Herzogtümern
Braunschweig und Anhalt.