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1. Wegweiser zum praktischen Betrieb der Heimatkunde - S. 30

1914 - Langensalza : Beyer
30 V. Heimatpflege, Heimatschutz und Heimatliebe auf dem Laude. Bauernsöhne suchten es ihnen bald gleichzutun; denn die „Studierten" mußten doch besser Bescheid wissen, was „fein" war, und so verschwanden nach und nach heimische Art, heimische Kleidung und heimische Sitten. Auch mit den Bauerntöchtern war eine Wandlung vorgegangen. Der gesteigerte Wohlstand, der größere Bestand an barem Gelde, der auch aus dem Lande sich gemehrt hatte, veranlaßte sie, nach „höherer Bildung" zu streben. Sie gingen in die Stadt, in „Pension". Häufig genug mochten sie dann später keinen Landmann heiraten; sie suchten „Beamtenfrau" oder „Kaufmanns- frau" zu werden. Die neuzeitliche Volkswirtschaft machte auch vielen Volksfesten und Volkssitten ein Ende. Schuld daran war hauptsächlich die sogenannte „Separation", die Verkoppelung der ländlichen Ackergrundstücke, welche an und für sich sehr segensreich gewesen ist. Einerseits hat sie aber so manche Schönheit der Heimat, manche malerische Bachwindung, manche wirkungs- volle Gehölzgruppe beseitigt, und andererseits sind durch sie jene Anger und Weideplätze verschwunden, auf denen unsere Altvorderen ihre geselligen Volksfeste: Vogelschießen, Ballspiel usw. abhielten, und auf denen auch die Dorfjugend genug Raum zum frohen Spiel fand. Jetzt mangelt es an Spielplätzen für die Jugend aus dem Lande ebenso wie in den Städten. Man beobachte nur, wo die Turngeräte der Schule auf den Dörfern meist untergebracht worden sind! Als „Turnplätze" kann Mansie in den seltensten Fällen bezeichnen; denn Obstanlagen bedecken den Platz, oder die Geräte zieren eine verlorene Ecke des Dorfplanes. Welche Kosten sind aufzubringen, und welche Widerstände müssen beseitigt werden, ehe es in der Jetztzeit ge- lingt, einen Platz für die Jugendpflege in dörflichen Gemeinden zu erhalten, weil die Gemarkung bei der Verkoppelung bis auf das kleinste Stück ver- teilt worden ist. Zum Turnen und Spielen muß oft genug die staubige Dorfstraße benutzt werden, zumal durch strenge Polizeiverordnungen un- befugtes Betreten von Feld- und Gartengrundstücken untersagt ist. Als Leiter der Jugendspiele ist man leider oft gezwungen, dergleichen Forst- und Feldgesetze zu übertreten, um überhaupt spielen zu können. Ich denke hierbei an die bei der Jugend so beliebten Kriegsspiele und Geländeübungen. Die alten Trachten, die entschwundenen Volkssitten und Volksspiele will man nun wieder neu beleben. Da dem Deutschen die Lust zum Spiel, zum Frohsein in geselligem Kreise innewohnt, so könnte ein Erfolg in bezug auf die Volksspiele möglich sein, ob es aber gelingen wird, die alten Trachten wieder in Gebrauch zu bringen, möchte ich bezweifeln; nur da, wo man sie wirklich noch trägt, können sie meiner Ansicht nach erhalten und vielleicht auch allgemeiner in Benutzung gebracht werden. In Gegenden aber, wo jene örtlichen Kleidermoden nur noch im tiefsten Hintergrunde großer Kleiderschränke als sehenswerte Überreste aus Großmutters Zeit zu finden sind, ist es nach meinem Dafürhalten vergebliche Liebesmühe, diese Erscheinungen vergangener Wirtschaftsperioden zu neuem Leben zu wecken. Die Erfolge der jetzt allerorten veranstalteten „Trachten"- und „Heimatfeste" scheinen mir recht problematischer Natur zu sein. Allerdings ist die Be- teiligung der ländlichen Bevölkerung an ihnen sehr rege. Wann wäre das bei einer Festfeier aber nicht der Fall? Man verlange nur einmal von den
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