1914 -
Langensalza
: Beyer
- Autor: Schmidt, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Vii. Ist die Heimatkunde Konzentrations- oder Unterrichtsprinzip oder Fach? 47
Spinnereien den nötigen Rohstoff beziehen, und dessen Verarbeitung dem
größten Teile der Eltern unserer Volksschüler in Langensalza Verdienst ge-
währt. Bei der Betrachtung der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist
klar zu legeu, wie die Beschaffenheit des Landes seine Entwicklung zum
ersten Baumwollande, zum ersten Petroleumlieferanten der Erde und zum
langjährigen Auswanderungsgebiete der Deutschen begünstigt hat. Das sind
die Hauptbeziehungen, welche die engere Heimat und das Vaterland mit
dem Lande der „unbegrenzten Möglichkeiten" verbinden. Brasilien ist zu
würdigen als unser erster Kaffeelieferant und als ein Reich, das durch den
Fleiß unserer dort eingewanderten Landsleute — insbesondere solcher aus
der engeren Heimat — empor zu blühen beginnt. Argentinien und Kanada
sind als Länder zu betrachten, die unsere Weizenerzeugung ergänzen. Be-
sonders sind auch die Ausfuhrländer unserer heimischen Erzeugnisse zu
würdigen. Wohin gehen die fertigen Waren unserer Wollspinnereien, Eisen-
gießereien usw.?
Bei der Betrachtung des Vaterlandes ist stets die engste Heimat
(Heimatlandschaft) zu berücksichtigen, Die Bahnlinien, welche von der Heimat
in das betrachtete Gebiet führen, sind anzugeben; Handelsbeziehungen, Ahn-
lichkeiten und Gegensätze in bezug aus Lage, Bodenbeschuffenheit, Bodenform,
Bodenschätze, Bewässerung, Klima, Fruchtbarkeit und Bewohner werden fest-
gestellt. Bei der Erörterung der Handelsbeziehungen sind die Fragen zu
beachten: „Was erhalten wir von dort? Was liefern wir dahin?" So
liefert z. B. Langensalza in die Börde Malz. Wollwaren, Travertin, Bücher.
Von dort erhält es Zucker, Maschinen, Zichorien, Heringe, überseeische Wolle
und Baumwolle (die drei letzteren Waren durch den Durchgangshandel).
b) Religion. Auch in diesem Fache sind die heimatkundlichen Vor-
stellungen als Apperzeptionsstützen und zur Erläuterung, Veranschaulichung
und lebensvollen Gestaltung des Neuen zu verwerten. Sie haben den
biblischen Geschichten gewissermaßen eine heimatliche Färbung zu geben.
Jeder weiß aus seiner eigenen Jugendzeit, daß man alle biblischen Ge-
schichten in der Heimat zu lokalisieren sucht. So ist mir in Erinnerung,
daß ich als Kind die Geschichte „Jesus, der Kinderfreund" immer auf den
sogenannten „Trippel", einem damals mit Sauerkirschen bestandenen Rasen-
platz am Dorfteiche meines Heimatortes Altranstädt, verlegte. Die Geschichte
vom „Jüngling zu Nain" ließ ich sich stets am Ausgange des Dorfes ab-
spielen, der sich unweit des Friedhofes befindet. So fest sind jene Lokali-
sationen dieser und der meisten übrigen Geschichten, daß mir selbst jetzt —
nach fast dreißig Jahren — noch jene Örtlichkeiten vor den Augen erstehen,
sobald ich meinen Schülern die Geschichten erzähle, oder sie mir von diesen
erzählen lasse. Es ist mir dies stets ein Beweis, wie sehr seinerzeit mein
verehrter Lehrer es verstanden hat, in uns Schülern die Geschichten der
heiligen Schrift lebendige Gestalt gewinnen zu lassen.
Dieses Lokalisieren der Geschichten innerhalb der engeren Heimat hat
der Lehrer besonders auf der Unterstufe mit zarter Hand zu betreiben.
Denken wir z. B. an die Geschichte vom „Kinderfreund"! „Nach langer
Wanderung kamen Jesus und seine Jünger in die Nähe eines Ortes. Da
lagerten sie sich auf einem Rasenplatze unter schattigen Bäumen. Es war