1872 -
Glogau
: Flemming
- Autor: Kriebitzsch, Karl Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Macht und Glanz erhob Spanien Karl I., Ferdinands Enkel, jener deutsche
Kaiser Karl V., in dessen Reich die Sonne nicht unterging. Aber schon unter
Philipp Ii. (f 1598) begann die Sonne zu sinken, zwar fiel ihm 1580 Por-
tugal zu, aber die Niederlande machten sich los, die Mehrzahl der Colonien
in Asien ging verloren, der Welthandel kam an die Holländer und Engländer.
Philipp Iii. schädigte des Landes Wohlstand, indem er die christlichen
Mauren, die schon Philipp Ii. verfolgt hatte, gänzlich vertrieb. Mit Philipp
v on Anjou, einem Enkel Königs Ludwig Xiv., kam nach dem spanischen Erb-
folgekriege (1700—1714) eine Nebenlinie des Hauses Bourbon aus den spa-
nischen Thron. Karl Iv. wurde durch Kaiser Napoleon entsetzt, aber 1814
mußte Joseph (1809 Talavera, 1812 Salamanea, 1813 Vittoria) wieder
Karls Iv. Sohn, Ferdinand Vii. weichen; ebenso gelangte durch Wellingtons
Waffen der Prinzregent rwn Portugal, Johann Vi., der vor Junot 1807 nach
Brasilien hatte fliehen müssen, 1821 wieder zur Herrschaft. Nach Ferdinands
Vii. Tode (1833), der mit den C ort es (den Landständen) in unaufhörlichem
Kampfe gelegen, kam es zu einem langen blutigen Bürgerkriege zwischen Car-
listen und Christinos, feine Tochter Jfabella Ii. wurde 1843 als Königin
anerkannt. Die meisten amerikanischen Colonien (Mexiko, la Plata, Chili,
Peru, Bolivia) gingen in dieserzeit verloren. 1868 wurdejsabella vertrieben
und die Republik proclamirt, 1870 Amadeo, der Herzog von Aosta, Sohn des
Königs von Italien, zum König erwählt. In Portugal, das seit 1640 wieder
selbständige Könige aus dem Hause Braganza (No.) erhalten, aber nie mehr
seine vorübergehende Bedeutung von ehedem erlangt, regiert jetzt (seit 1861)
Dom Luis I. (das Dom führt nur der König und die königlichen Prinzen).
Durch Bürgerkrieg zerrifsen, steht es in Ackerbau, Handel, Industrie, Bildung
noch hinter Spanien zurück.
6. Das Volk. Ein Grundzug des spanischen Characters ist der Stolz.
Die feierliche, ernste, kalte, schweigsame Grandezza der spanischen Granden ist
ja sprüchwörtlich. Auch der heruntergekommene Bauern- und Bettleradel be-
sitzt diesen ungemessenen Stolz und zeigt eine gewisse würdevolle Vornehmheit
und läßt sich seinen Caballero und Sennora nicht nehmen. Wehe dem, der
ihnen Unwürdiges zumuthet, niedere Dienste von ihnen fordert. Denn fo ge-
messen und still sie für gewöhnlich sind, so gefährlich sind sie, wenn die leicht
zur hellen Flamme auflodernde Gluth der Leidenschaft sie aufjagt. In Bil-
dung zurück, mit den Veränderungen unbekannt, die feit Karl V. in der Welt
geschehen, zehrt ihr Nationalstolz noch von den Erinnerungen an diese glor-
reichste Zeit ihres Volkes und Vaterlandes und sie halten sich noch heute für
das erste Volk der Erde. Aber sie wissen und fühlen sich auch als Eine Nation,
trotz der scharf ausgeprägten Verschiedenheit in Sitten, Fähigkeiten, Charaeter
und Interessen der vielen einzelnen Stämme und Provinzen. An den alten
Sitten, Gebräuchen, Gerechtsamen halten sie mit starrem Sinne fest, und auch
die Loyalität des Spaniers ist sprüchwörtlich geworden. Der Kampf gegen
Napoleon mit seinem unermüdlichen Guerillakrieg hat bewiesen, daß dermuth,
die Tapferkeit, der Unabhängigkeitssinn, die Vaterlandsliebe noch in ihnen
wohnt, die einst Numantia nur als einen Haufen von Schutt und Leichen den
Römern übergab und 700 Jahre mit den Saraeenen auf Tod und Leben
kämpfte; aber dem Nationalgefühl verbindet sich auch ein brennender Haß