1872 -
Glogau
: Flemming
- Autor: Kriebitzsch, Karl Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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heerung. Der nördlichste See ist der Enarasee in den finnischen Lappmarken,
aus ihm ergießt sich ein Fluß in's Eismeer. Aber die meisten ergießen sich in
die Ostsee, und nicht blos die Flüsse, sondern auch die Abflüsse weit aus-
gedehnter Moore und Sümpfe. Alle diese Gewässer sind 6 bis 7 Monate im
Jahre mit dichtem Eis bedeckt, die Kälte dringt bis auf den Grund der Seen,
so daß manchmal die Fische darin völlig aussterben. Von Schifffahrt kann auf
solchen Flüssen fast gar nicht die Rede sein, man benutzt sie fast nur, um das
Holz der Wälder darauf zu flößen. Und daran ist die finnische Landschaft
reich, besonders an mächtigen Nadelholzwäldern, Fichten, Kiefern, Tannen;
doch finden sich auch ausgedehnte Birkenwaldungen. Mit den Wäldern wechseln
Haiden, Wiesen und Moräste. Die Wälder bergen einen unendlichen Reichthum
an schönen, wohlschmeckenden Beeren, Himbeeren, Erd-, Heidelbeeren u. f. w.
Am ergiebigsten für den Ackerbau ist die große Ebene um Wasa im Westen.
Ein eigentümliches Element erhält die Südküste des Landes durch die
Schären. Hier findet sich auf breiten, rundlich gewölbten Felsrücken inmitten
einer kümmerlichen Vegetation manch eine kleine rothbemalte Hütte finnischer
Fischer; und wo sie sich zu größeren Flächen ausdehnen, da sieht man wohl
auch auf grünen Wiesen Heerden weiden, die, vom Festlande jeden Sommer
herübergeführt, hier ein friedliches, von ihrem Feinde, dem Wolfe nicht beun-
ruhigtes Dasein führen. Die Bevölkerung Finnlands ist eine gemischte: zu
verschiedenen Zeiten sind Russen, Dänen, auch Deutsche eingewandert, am
meisten aber haben sich seit 8 Jahrhunderten Schweden angesiedelt. Auch Zi-
geuner giebt es, und im höchsten Norden eine kleine lappische Bevölkerung.
(Vgl. § 4.) Indessen läßt sich das finnische Volkselement in Sprache, Sitte
und Character von den fremdartigen eingedrungenen genau unterscheiden.
Ihre Sprache, durchaus dem Character der indogermanischen sremd, und, wie
die türkische und ungarische, aber unvermischt, orientalischen Ursprungs, ist
schön, leicht, wohlklingend, biegsam, sehr vocalreich. Der Finne hat tiefen
poetischen Sinn, er liebt Gesang und Dichtkunst über Alles, es giebt hier noch
echte unmittelbare Volkspoesie in Lied und Sage aus uralter heidnischer Zeit,
und mancher Bauer, zumal im Südosten des Landes, ist Dichter. Wenn in einem
Kirchspiel zwei befreundete Dichter wohnen, so kommen sie zuweilen in freien
Stunden zusammen, setzen sich quer über eine Bank einander gegenüber und
improvisiren ein Gedicht, indem der eine, unter fortwährendem Wiegen des
Oberkörpers, eine Strophe beginnt, der Gegner sie wiederholt und eine zweite
daranfügt u. f. w. Dabei stehen und sitzen Männer, Frauen und Kinder in
großer Zahl umher und haben ihre Lust daran. Von Character ist der Finne
langsam, aber beharrlich, tief religiös bis zur Schwärmerei, treuherzig, ehrlich,
anspruchslos, von gesundem männlichem Geiste. Abgehärtet, muskelkräftig,
kaltblütig, im Kampf mit Bär und Wolf der Gefahr vertraut, ist er auch ein
vortrefflicher Soldat, besonders Artillerist und Scharfschütz. In Sitte, Tracht,
Wohnart hat sich im Innern des Landes Alles unverändert erhalten, wie es
vor langen Jahrhunderten gewesen, an den Küsten hingegen macht sich der
Einfluß des schwedischen Nachbars deutlich merkbar.
K. Königreich Polen. Warschau. Praga. Modlin (Festung). Kalisch
Ostrolenka (1831). Lublin (noch jetzt bedeutende Handelsstadt). Sandomir.
— Weichsel, Bug.
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