1900 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes, Schuster, Ignaz
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Am nächsten Morgen war das, was wir uns bisher nnr in
der Phantasie ausgemalt hatten, in Wirklichkeit vor uns. Langsam
fuhr unser Schiff in das Goldene Horn und warf den Anker. Da
ist sie nun, die Siebenhügelstadt mit ihrer unvergleichlichen Lage;
das sind die Moscheen mit ihren blitzenden Kuppeln und den schlanken,
weißen Minarets, das die Gärten und Paläste; das ist Kon-
stantinopel, wie wir es uns vorgestellt hatten, nur noch um vieles
schöner, glühend im rosigen Lichte der Frühsonne.
Konstantinopel oder Stambul (d. i. Stadt des Islam) besteht
aus drei durch Meeresarme getrennten Teilen. Auf der asiatischen
Seite liegt Skutari; auf der europäischen Seite dringt ein breiter
Wasserarm in das Land ein, das Goldene Horn, welches das
eigentliche Stambul vou den großen Vorstädten Galata, Pera n. s. w.
trennt. Das Goldene Horn ist der Hafen von Konstautinopel, der
Marktplatz von drei Weltteilen und einer der größten, schönsten und
sichersten Ankerplätze der Welt. Das eigentliche Stambul, welches
rings von den starken byzantinischen Mauern umschlossen ist (vgl.
Bild 38, S. 124), bildet ein Dreieck, dessen Umfang 18 km beträgt.
Die Einwohnerzahl kann niemand genau angeben; man liest von
einer Million, in Wirklichkeit mag die türkische Hauptstadt, die
Vorstädte mit eingerechnet, von 600 000—800 000 Einwohnern be-
völkert sein. Die Stadtteile sind größtenteils aus Holz und enge
zusammengebaut, woraus sich die vielen und großen Feuersbrünste
erklären. Ans dem Häusermeere ragen meist auf Hügeln viele Hun-
derte von Moscheen, oft schöne und kunstvolle Bauten, hervor. Was
die ganze Stadt, die Seeseite ausgenommen, in dunkeln Gürteln
wie Wälder umzieht, das siud Cypressenhaine, welche die Grabstätten
der Moslems beschatten; denn da der Korangläubige nie ein Grab
zerstört, so sind noch alle Grabstätten samt ihren Denkmälern seit
Ankunft der Türken in Europa erhalten, und die Riesenstadt der
Lebendigen ist von Millionen Wohnnngen der Toten umgeben.
Vor allem ist es in Konstantinopel das Straßenleben,
welches auf den Fremden einen großen Reiz ausübt; denn was er
da sieht, ist ihm etwas Neues. Wenn man die bunte Bevölkerung