1898 -
Schwabach
: Schreyer
- Autor: Wenger, Franz, Bahmer, David, Korn, Adolf, Lutz, August
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Donaugebiet, Rheinpfalz, Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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sie imstande, größere Lasten zu tragen, sie ist schiffbar. Auf Flößen
wird eine Menge Holz (Stämme, Bretter, Latten) stromabwärts befördert.
Die Ulmer Schachteln*), hochrandige, mit einem Dach versehene Schiffe,
fahren, mit allerlei Waren beladen, bis nach Österreich und Ungarn,
kommen aber nicht mehr zurück (warum wohl?), sondern'werden dort
verkauft.
Zusammenfassung: Eintritt in Bayern. Vor ihrem Ein-
tritt in Bayern nimmt die Donau von rechts her die Jller auf.
Dann tritt sie zwischen die zwei Städte Ulm und Nenulm. Diese
bilden eine Festnng. Ulm besitzt ein herrliches Münster mit dem
höchsten Turm der Erde. Nach Ulm wird die Donau schiffbar.
d. Auf dem langen Dach der Münsterkirche ist ein großer ver-
goldeter Spatz angebracht, der einen Strohhalm im Schnabel trägt. Das
ist der „Ulmer Spatz". Hört seine Geschichte!**)
„Ohne den Verstand des Spätzleins wäre es ein Ding der Unmög-
lichkeit gewesen, den Münsterturm zu stände zu bringen. Das wird Euch
recht rätselhaft dünken, und gewiß seid Ihr begierig, etwas Näheres
hierüber zu vernehmen.
X^Jedem Kinde ist es bekannt, daß man ohne ein richtiges Baugerüst
weder ein kleines Gebäude, geschweige denn einen hohen Turm fertig
bringen kann. Wie man ein solches Baugerüst heutzutage aus Balken
und Bohlen herstellt, so war es auch in jener Zeit. Weil der Münster
gar so hoch werden sollte, verlangte der Meister auch ein hohes und
festes Gerüste. Man ging darum mit Beilen und Äxten hinaus in den
schönen Wald und fällte die Bäume, fo groß und hoch, als man sie
finden konnte. Sogleich waren auch die Wagen bereit, die gefällten
Bäume in die Stadt zu fahren. Der größte Baum wurde sofort quer-
über den Wageu gelegt und dieser mit vielen Ochsen bespannt. Die
Fahrt znr Stadt gelang gut. Doch, als mau zum Stadtthore kam, da
begann die liebe Not. Dasselbe war viel zu klein, um den Baum hinein-
schaffen zu können. Die Ochsen kamen wohl durch das Thor und zogen
mit aller Kraft; aber der querliegende Baum ging nicht hindurch, und
das Thor selbst war fest wie ein Stein und wollte auch nicht weichen.
Da war guter Rat teuer. All' die hohen Magistratsräte wurden herbei-
gerufen; man wollte ihren weisen Ausspruch hören. Doch kein Rat
wollte zum Ziele führen, und vergebens durchsuchte mau die gelehrten
Werke nach Ausschluß. Alles war umsonst, und man mußte auch deshalb
den Münsterbau einstellen. Lange stand der querüberliegende Baum vor
dem Thore und würde vielleicht noch davor stehen, wenn nicht zum Glücke
ein großer Gelehrter zu jener Zeit in Ulm gelebt hätte. Wie Euch
bekannt ist, geben solche Leute auch sorgfältig auf die kleinsten Dinge
*) In neuester Zeit sind die Ulmer Schachteln seltener.
**) Ans der Jugendlust, 1879, Seite 83.