1880 -
Hannover
: Klindworth
- Autor: Guthe, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Hannover
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Die Bevölkerung des Landes.
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gegeben. Das ist der Ansang einer besseren Zeit für unser Land-
volk geworden.
Von jeher war es Sitte gewesen, den väterlichen Hof nicht zu
zertheilen; später verbot der Gutsherr solche Theilungen und der
Landesherr hielt diese Bestimmung, wo sie zur Geltung durchge-
drungen war, aufrecht. Es wird also der Hos nur auf einen
Sohn, den s. g. Anerben, vererbt, die Töchter und übrigen Söhne
müssen sich mit einer mäßigen Abfindung begnügen. In einzelnen
Gegenden hat der Vater die Wahl unter den Söhnen, in den
meisten solgt der älteste, in wenigen der jüngste Sohn. In den-
jenigen Landestheilen jedoch, welche schon früher einmal Preu-
ßisch gewesen sind, nämlich im Fürstenthume Ostfriesland und auf
dem Eichsfelde ist das Eigenthum frei veräußerlich, und in ein-
zelnen Landestheilen findet neben gebundenem Eigenthume sich sehr
viel frei veräußerliches. So sind z. B. in den Fürstenthümern
Göttingen und Grubenhagen von sämmtlichen Höfen und Stellen
nur 40°/o gebunden; im Fürstenthume Lüneburg dagegen find etwa
95°/o untheilbar. Die Richtung unserer Zeit geht dahin, volle
Freiheit, also auch Theilbarkeit des Grundbesitzes einzuführen.
Sie wird nur dann mit Nutzen eingeführt werden können, wenn
durch eine bessere Schulbildung, als sie bis jetzt den Landleuten
meistens zu Theil wird, die Gefahren beseitigt werden, die durch
unvernünftiges Theilen bis in die kleinsten Stücke hinunter der
Bevölkerung drohen. So ist die Bevölkerung des Eichsfeldes durch
solche unvernünftige Theilung sehr zahlreich geworden, indem jeder
einzelne hoffte, mit seinem kleinen ererbten Antheile eine Familie
ernähren zu können, aber auch so arm, dast ein großer Theil der-
selben im Sommer auswandern muß, um durch Arbeiten aus den
großen Gütern im Hildesheimischen und Magdeburgischen ein kärg-
liches Brot zu verdienen. In den meisten Gegenden unseres Vater-
landes ist indest die ganze Gesinnungsart der Bauern so ans Alt-
hergebrachte gefesselt, und der Bauer so an seinem Hofe hangend
und für dessen Erhaltung in ungeschwächter Größe und Wohlstand
so besorgt, daß auch die zugestandene Freiheit der Theilung schwer-
lich zu einer schädlichen Zersplitterung führen dürfte.
Nicht im ganzen Lande ist indeß, wie sich zum Theil schon
aus dem eben mitgetheilten Zahlenverhältnisse ergiebt, der Bauern-
stand so in Verfall gerathen gewesen, wie wir es eben geschildert
haben. In Ostfriesland, in den Marschen an der Elbe und Weser
wurde die alte Freiheit aufrecht erhalten. In den letztgenannten
Gegenden haben die Bewohner sich lange und gewaltig gegen die