1880 -
Hannover
: Klindworth
- Autor: Guthe, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Hannover
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Die Zeiten der Reformation.
rathete Töchter, denen man auf solche Weise ein reiches und gemäch-
liches Auskommen verschaffte, denen aber in der Regel die Sorge um
ihr oder ihrer Mitmenschen Seelenheil ganz fern lag. Der Stand der
unterrichteten und gebildeten Geistlichen konnte es in der Regel zu
nichts bringen; sie verrichteten als Vikarien gegen eine oft sehr mäßige
Entschädigung die Dienste der Domherren, oder wurden Weltgeistliche
d. h. Priester an den Kirchen; wir sagen Priester, und nicht Prediger,
denn obwohl die zahlreichen Feste zu Ehren der Heiligen, sowie Messe-
stiftungen für das Seelenheil Gestorbener zu zahlreichen Gottesdiensten
Veranlassung gaben, so wurde doch selten gepredigt. Das eigentliche
Predigt- und Seelsorge-Amt war nach und nach immer mehr in die
Hände der Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner gerathen,
ganz besonders durch das Privileg derselben, überall Beichte zu hören
und Messe zu lesen. Aus dem Volke hervorgegangen und durch ihre
Einfachheit und Armut das Vertrauen des Volkes besitzend, pflegten
sie die Kunst volksthümlicher Rede, und indem sie auf ihren Bettel-
zügen mit dem Volke überall in Berührung kamen, konnten sie auf
dasselbe aufs mächtigste einwirken, und dies geschah, ausschließlich in
der Richtung, die ihnen jedesmal von oben her vorgeschrieben war.
Durch sie bekämpfte das Papstthum diejenigen Fürsten und weltlichen
oder geistlichen Herren, welche ihm Widerstand zu leisten wagten,
durch sie erhielten Bann und Acht, die so oft um rein weltlicher Zwecke
willen ausgesprochen wurden, erst ihre rechte Wirksamkeit.
Gewiß erkannte die Kirche schon im 15. Jahrhunderte ihre
Schäden an, und seit dem Auftreten von Huß arbeitete sie selbst an
der für nothwendig erkannten Besserung ihrer Einrichtungen. Aber
ihre Krankheit ließ sich mit den ihr eigenen Kräften nicht heilen; sie
konnte sich nicht aus sich selbst verjüngen und das einzige Heilmittel,
bedingungslose Rückkehr zum Worte Gottes, konnte und mochte sie
nicht anwenden: sie hätte sich entweltlichen müssen, und das stand
ihr nicht an. — Auch in unserm Lande sind solche Versuche gemacht.
Wir nennen namentlich den Kardinal Nikolaus von Cusa (aus
dem Orte Eues an der Mosel), der ums Jahr 1451 das Bisthum
Hildesheim besuchte und sich mit der Verbesserung der Klosterzucht
beschäftigte. Ihm als Deutschen entging auch nicht die tiefe Un-
wissenheit des Volkes. Auf seinen Befehl wurden in den Kirchen
Tafeln aufgehängt, auf welchen in Deutscher Sprache das Vater-
unser, der Glaube, die zehn Gebote und der englische Gruß geschrieben
waren. Eine davon, aus der Lambertikirche stammend, wird noch
jetzt im Hildesheimer Museum gezeigt. Es heißt darauf u. a.: