1913 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Eckardt, Paul
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Handelsfachschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
16 Allgemeiner Teil. Ii. Die Kultur-Faktoren,
B. Entwicklungsstufen.
Aus der Urzeit der Menschheit sind uns keine oder nur sehr geringe
Merkmale erhalten geblieben. Von den Anfängen der Kultur an lassen sich
jedoch auf Grund der vorgefundenen Versteinerungen usw. die Entwickelungs-
gänge unserer heutigen hohen Kultur verfolgen. Dabei vermögen wir festzu-
stellen, daß fast alle Kulturstufen, die wir durchlaufen haben, noch heute auf
der Erde zu finden sind.
Auf unterster Stufe stehen die Völker der tierischen Wirtschaft, die ganz
nach Art der Tiere sich ihre Nahrung suchen, wo die Natur sie ihnen freiwillig
bietet. Ihre Tätigkeit besteht somit nur im Sammeln der Naturerzeugnisse
mittels ihrer natürlichen Sinne und Kräfte, fast ohne Verwendung von Werkzeugen.
Die Werkzeuge sind von jeher die wichtigsten Förderer der menschlichen
Wirtschast gewesen, an ihrer Ausgestaltung messen wir hauptsächlich den wirt-
schaftlichen Stand eines Volkes. Wir finden ihre Ansänge auf der folgenden
Kulturstufe.
Auf der Stufe des Instinkts geht der Mensch bereits mittels der
geschaffenen, einfachen Werkzeuge auf den Raub pflanzlicher und tierischer
Naturerzeugnisse aus. Dabei lernt er ihre Nützlichkeit oder Schädlichkeit
kennen, vernichtet aber oft auch aus Unkenntnis große Werte und führt ein
unstetes Leben, da ihn die rohe Vernichtung der Naturerzeugnisse zwingt,
immer wieder andere Gebiete aufzusuchen. Fehlt es ihm an tierischer Fleisch-
nahrung, so erscheint ihm vielfach der Mitmensch als willkommener Ersatz hierfür.
Immerhin entwickeln sich bereits auf dieser Stufe die ersten Anfänge
des Ackerbaues in einfachster Form und eine Art Viehzucht, bei der jedoch
die Tiere ihre Nahrung sich selbst suchen müssen.
Eine Fortbildung dieser beiden Wirtschaftszweige und ein Beginn indu-
strieller Tätigkeit, der sich in gewerbsmäßiger Herstellung von Waffen, Haus-
und Feldgeräten, Booten und dgl. zeigt, sühren uns zu der Stufe der
Erfahrung. Wurden auf der vorigen Stufe die Werkzeuge und Geräte dem
Verstorbenen mit in das Grab gelegt und gingen damit alle von ihm gemachten
Erfahrungen zugrunde, so überträgt sich jetzt mit den Werkzeugen der Ersahrungs-
schätz vom Vater auf den Sohn, wird vielleicht auch schriftlich überliefert.
Ackerbau und Viehzucht, Gewerbe und Verkehr erfolgen nach planmäßigen
Verfahren von den seßhaft gewordenen Einwohnern dieser Gebiete. Dagegen
besteht allgemein die Neigung, das von den Vätern Überkommene festzuhalten,
auch wenn es für die Jetztzeit nicht mehr geeignet erscheint.
Der selbstforschende, prüfende und scheidende Geist, der die höchste Stufe,
die Wirtschaftsstufe der Wissenschaft, auszeichnet, fehlt noch aus der
vorigen Stufe. Erst diese letzte Form der Wirtschaft macht alle Errungen-
schaffen der Wissenschaft, Kunst und Technik dem Wirtschaftsleben nutzbar,
haftet an keinem Althergebrachten fest und ermöglicht eine dichte Besiedelung
der Erde, sowie eine sorgfältige Ausnutzung ihrer ober- und unterirdischen
Schätze. Ihr Streben geht in jeder Beziehung dahin, den Menschen zum
Herrscher über die Naturkräfte zu machen.