1907 -
Leipzig
: Hirt
- Autor: Rasche, Emil
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule, Handelsschule, Kaufmännische Fortbildungsschule, Landwirtschaftsschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
150 Das Deutsche Reich.
in unseren Kolonien, die man zurzeit meist nur im Raubbau betreibt, nicht nur wesent-
tich erweitert, sondern auch rationell gestaltet wird. In Kamerun und Ostafrika hat
man neuerdings Millionen von Kautschukbäumen gepflanzt und hofft mit der Zeit
den heimischen Bedarf an Kautschuk zum allergrößten Teile decken zu können.
Den Hanf, den unsere Industrie verarbeitet, beziehen wir zurzeit vor allem
aus Rußland und aus Italien. Wohlfeilen Ersatz bietet der Sisalhanf, der in
Ostafrika aus einer Agavenart gewonnen wird, und man hofft, in
nicht zu lauger Zeit aus Deutfch-Ostafrika 3000 Tonnen im Werte vou
20 Mill. Mark beziehen zu können.
Der Bedarf an Schafwolle, die in unseren Wollspinnereien, Tuch- und
Wirkereifabriken verarbeitet wird, kann durch die heimische Produktion nicht im
mindesten gedeckt werden. Hier erscheint nun Südwestafrika berufen, zum Teil
Ersatz fitr die Einfuhr aus Argentinien, Australien, Kapland usw. zu bieten.
Südwestafrika ist ein Land der Viehzucht, und hier würden durch Rindvieh-,
Schaf- und Angoraziegenzucht Tausende von Ansiedlern Erwerb finden. Auch die
Straußenzucht würde sich hier wie im Kapland lohnen.
Südwestafrika dürfte mit der Zeit auch unseren Mehrbedarf an Kupfer zu
decken vermögen.
Die tropischen Kolonien Afrikas können uns auch wertvolle Nutzhölzer
liefern, wie es zurzeit schon in Togo geschieht.
Aber auch als Bezugsgebiete für Tabak, Kaffee, Kakao und Gewürze
werden unsere Kolonien noch weiter ausgebaut werden müssen.
Nach statistischen Angaben betrug die deutsche Einfuhr au solchen Produkten,
die auch in unseren Kolonien erzeugt werden können, über eine Milliarde Mark.
Wenn wir nun im Laufe der Jahre nur dazu kämen, den zehnten Teil dieser
Summe uns zu erhalten, welch ein großer Vorteil wäre damit erzielt!
Sollen unsere Kolonien einmal diese Rolle spielen, so bedarf es vor allein
einer gauz wesentlichen Erweiterung der Verkehrswege, namentlich der Anlage
von Eisenbahnen. Denn es kommt hier wesentlich darauf an, diese Produkte,
die an Ort und Stelle äußerst billig erzeugt werden können, nun auch mög-
lichst billig bis an die Seehäfen zu besörderu. Ter Transport einer Tonne
Ware aus dem Innern Afrikas bis zur Küste kostet durch eiue Trägerkarawaue,
welche die Waren auf den Köpfen tragend befördern muß, 2500 Mark, die Eisen-
bahnsracht dagegen beträgt 45 Mark.
Jede deutsche Kolonie steht unter einer Reichsverwaltungsbehörde, der zu ihrer
Sicherheit eine Schutztruppe, zum Teil aus Eingeborenen bestehend, beigegeben ist.
Ihre Aufgabe besteht hauptsächlich darin, die Eingeborenen zur Kulturarbeit heran-
zuzieheu (Schulen, Missionsanstalten, Musterplantagen usw.), neue Verkehrswege
anzulegen und die wirtschaftliche Tätigkeit zu beleben. Unterstützt wird die amt-
liche Verwaltung durch Missionare, Ärzte, Kaufleute und Ansiedler.
Erfreulicherweise befinden sich die meisten unserer Kolonien in hoffnungs-
voller Entwicklung, und ihre Bedeutung für den deutschen Außenhandel hebt sich
immer mehr. 1906 betrug die Einfuhr allein in die afrikanischen Schutzgebiete
63 Mill. Mark, das ist eiue höhere Summe als die Werte, die wir jährlich z. B.
nach China ausführen. Von 1903 bis 1905 ist der Gesamthandel in Ostafrika
von 18 aus 27 Mill. Mark gestiegen (davon die Einfuhr allein von 11 Mill. auf
17 Mill. Mark).