1897 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Tischendorf, Julius
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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kannst mich erlösen, wenn du allein den Schatz heben wirst, der in diesem
Berge verborgen liegt. Reinhard empfand wenig Neigung, dies allein
zu thun, erst als der Alte gestattete, daß Reinhard seinen Bruder zur
Hebung des Schatzes mitbringen könnte, sagte er zu.
Reinhard und sein Bruder versahen sich mit den nötigen Werkzeugen
und bestiegen in nächster Mitternacht den Berg. Das Männlein empfing
sie, gebot ihnen aber, wenn Stimmen aus der Tiefe fragen würden, was
sie mit dem Schatze beginnen wollten, nicht zu antworten und sich durch
Drohungen nicht abschrecken zu lassen.
Die Brüder begannen zu graben und fanden, wonach sie sich sehnten,
den Schatz. Als sie ihn aber heben wollten, erscholl ans der Tiefe eine
furchtbare Stimme. Die Schatzgräber schwiegeu.
„Gebt Antwort oder ihr müßt sterben!" erscholl es aus der Tiefe.
Nun ward Reinhards Bruder doch ängstlich; er antwortete, daß sie
sich mit dem Gelde ein frohes Leben zu verschaffen gedächten — da ver-
sank der Schatz mit donnerndem Gepolter in die Tiefe!
Seit dieser Zeit hat der unglückliche Geist noch keine Erlösung ge-
funden. Pfeil.
6, Die lange Schicht zu Ehrenfriedersdorf.
In der sächsischen Bergstadt Ehrenfriedersdorf im Erzgebirge lebte
einst ein junger Bergmann, mit Namen Oswald Barthel. Er war ein
braver, fleißiger Mensch, der von allen Leuten geschätzt und gern gesehen
wurde, ja, seine Vorgesetzten hatten den jungen Bergmann so lieb ge-
Wonnen, daß ihm der wohlbegüterte Obersteiger Baumwald seine einzige
Tochter Anna verlobte.
Eines Tages sollte Oswald im tiefem Stollen „Gutes Glück" an-
fahren, um einen Durchschlag zu bewirken. Dieser Auftrag war ein schwer
ausführbarer, denn ein solcher Durchbruch in einen anderen Stollen ist
eine der gefährlichsten Arbeiten beim Bergbau. Oswald und seine
Kameraden traten am Tage St. Katharina die Fahrt mit einem herz-
lichen Glückauf an, nachdem sie zuvor mit ihrem Steiger gebeichtet und
das heilige Abendmahl genommen hatten. Sobald sie im Schachte an
dem gefährlichen Punkte ankamen, betrieben sie die Arbeit mit größter
Vorsicht, um das Einstürzen der Firstenzimmerung zu verhüten. Die
Last, welche auf dieser Zimmerung ruhte, war groß. Eben wollte der
Steiger eine neue Anordnung treffen, da vernahm er ein heftiges Krachen
in der Firstenzimmerung.
„Brüder, rettet euch", rief er, „schnell, es macht einen Bruch!"
Alle folgten diesem Rufe, nur Oswald blieb zurück und — wurde
verschüttet. Wohl gab man sich Mühe, den Unglücklichen zu retten, die
Leute arbeiteten Tag und Nacht, aber vergebens, es brach immer mehr
nach — der Ärmste wurde nicht wieder gefunden.