1893 -
Bielefeld
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Wurthe, Wilhelm, Schulze, Hermann, Niemann, Gustav, Gieseler, Albert, Baade, Friedrich, Borchers, Emil
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Pferde im Auslande kaufen.) Die Bauern haben vielfach nur ein kleines Besitztum
und sind daher selten reich. Aber dennoch ist Frankreich durch seinen Wein-, Obst-
und Seidenbau sowie durch seinen Gewerbfleiß eins der wohlhabendsten Länder Europas.
e. Der Küstenstrich südlich von der Garonne ist durch Dunen, welche der Wind
weit in das Land hineinweht, vielfach versandet und, da dem Wasser der Abfluß mangelt,
mit Sümpfen und Seen angefüllt. Zum Anbau von Feldfrüchten sind nur wenige
Stellen geeignet. Die Bewohner dieser „Heiden" treiben daher Schafzucht oder nähren
sich als Kohlenbrenner und Pechsieder im Walde. Des sumpfigen Bodens wegen
gehen die Leute hier häufig auf Stelzen. Auf Stelzen schießt der Jäger das Wild,
auf Stelzen bewacht der Hirt, seinen Strumpf strickend, die Herde; auf Stelzen
durcheilt der Briefbote mit der Schnelligkeit eines trabenden Pferdes diese Ein-
öden. Wege und Stege giebt es in den Heiden nicht, und nur selten erblickt man einen
Menschen oder eine armselige Hütte, in welcher die ärmlichen Bewohner Hansen.
ä. Städte des Tieflandes. An der Seine liegt Paris (Hauptst., 2^/2 M.).
Paris, nächst London die größte Stadt Europas, ist mit einem 40 km langen
und 10 m hohen Walle umgeben. Außerdem ist die Stadt durch mehr als 40 Außen-
werke geschützt. Die früheren Festungswälle sind infolge der Stadterweiterung abge-
tragen und in prachtvolle, mit Bäumen bepflanzte Straßen (Boulevards) umgewandelt
worden. Hier sieht man die feinsten Wohnhäuser, die schönsten Läden, die größten
Hotels. Am rechten Ufer der Seine finden wir die prachtvollsten Königsschlösser mit
ihren herrlichen Gärten. An diese schließen sich die elysäischen Felder an, die nur
ihren Lustwäldern, Alleen, Kaffeehäusern, Tanzlokalen und Karnssels ein Lieblingsort
der Pariser geworden sind. — Paris ist die erste Fabrikstadt Frankreichs. Ihre Luxus-
und Modewaren zeichnen sich durch Feinheit des Geschmackes aus und werden fast in
der ganzen Welt gekauft. — Etwa 20 km westlich von Paris liegt Versailles
[werßaj], mit einem prachtvollen Schlosse. In demselben wurde am 18. Januar 1871
König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser ausgerufen.
An der Seine liegen ferner die Seehandelsstädte Ronen sruang^ und Havre
[ahwr]; letzteres, das „Hamburg der Seine", ist die wichtigste Stadt für Ein-
fuhr von Kolonialwaren für ganz Frankreich. Nordwestlich von Havre, im äußersten
Norden der als Halbinsel vorspringenden Normandie, Cherbonrg sscherbuhr), einer
der bedeutendsten Kriegshäfen Frankreichs. Nordöstlich von Havre, ebenfalls an der
Küste, die bekannten Überfahrtsörter nach England Calais [Mäh] und Boulogne
[bulonj]; nicht weit von der belgischen Grenze das uralte Lille [lihl] (200 T.), der
Mittelpunkt einer großartigen Webeindustrie, die durch die Steinkohlenlager in den
Ardennen unterstützt wird, und durch welche der N. der bevölkertste Landstrich Frank-
reichs geworden ist (267 Bew. auf 1 qltm); an der Somme: die altertümliche
Fabrikstadt Amiens samjäng); an der Loire: Orleans [orleang], der „Schlüssel zu
Südfrankreich", sowie Tours [fuhr] und Nantes [nangt], dessen Aufblühen durch die
zunehmende Versandung der Loire gehemmt wird; an der Garonne: der Seehafen Bor--
deaux stordo] (250 T.), bekannt durch seinen Weinhandel, und Toulouse [tuluhs],
wichtig durch seinen Handel mit Spanien.
2. Die Bretagne [bretan}], die größte Halbinsel Frankreichs, ist ein niedriges Berg-
land, hat aber seiner vielen Schluchten und nackten Bergkuppen wegen eine rasche, wilde
Gebirgsnatur. Große Strecken sind mit ausgedehnten Heiden angefüllt, welche die
Schaf- und Bienenzucht begünstigen. Zum Ackerbau sind nur einige Thäler geeignet.
Die Nähe des Meeres lockt daher die Bewohner nmsomehr an, ihren Erwerb auf der
See zu suchen. — An der buchtenreichen Westküste liegt Brest, Frankreichs größter
Kriegshafen, der mehr als 500 Kriegsschiffe aufnehmen kann.
Realienbuch A. (Ix. Erdkunde.) 5