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1. Heimatkunde des Stadt- und Landkreises Erfurt - S. 196

1916 - Erfurt : Keyser
— 196 — Der Reichsdeputationshauptschluß in Regensburg vom 25. Februar 1803 bestätigte endgültig die Einverleibung in Preußen. Nunmehr entschloß sich der König, das neuerworbene Land zu be- suchen. Am 30. Mai 1803 traf er mit seiner Gemahlin in Erfurt ein und stieg in der Statthaltern ab (s. S. 55). Dnrch die wiederholten Be- suche des Königs und der Königin, vor allem durch ihr liebeuswürdiges Wesen söhnten sich die Erfurter mit der nenen Verwaltung ans. Sie hatte ihnen anfangs wegen der knappen, soldatischen Art nicht allzusehr behagt. Aber schon 1806 endete die Herrschaft Preußens über Erfurt. Drei Tage nach der Schlacht bei Jena ergab sich die Stadt schimpflich den Franzosen. Obwohl es selbstverständlich war, daß die Franzosen vor Erfurts Toren erscheinen würden, hatte man doch nichts Ernstliches für die Verteidigung der Stadt getan. Wohl standen die Kanoniere bei ihren Kanonen, aber sie durften nicht schießen. 5000 Zentner Pulver lagerten unter freiem Himmel in den Laufgräben der Festung. Ein einziger in sie fallender Schuß des Feindes hätte der Stadt den Untergang gebracht. Darum war auch hier „Ruhe die erste Bürgerpflicht". Man hielt die Tore verschlossen und die Zugbrücken hochgezogen. Bald erschien ein französischer Unterhändler. Die Verhandlungen dauerten nicht allzulange. Die gesamte Besatzung von 14 000 Mann, darunter 8000 Kranke und Verwundete, wurde gefaugeu genommen. Die Offiziere erhielten bei Abgabe des Ehrenwortes, bis zu ihrer Auswechselung nicht zu dienen, den Abschied, den Bürgern aber wnrde Sicherheit zugesagt. Am 17. Oktober zogen die Franzosen ein, gleichzeitig verließen die gefangenen Preußen die Stadt. Sie mußten ihre Waffen auf dem Glacis vor der Stadt nieder- legen. Die Sieger kamen zum Johannestor herein, die meisten so, wie sie das Schlachtfeld verlassen hatten. Teilweise waren sie wuuderbar aufgeputzt mit kattunen und schwarzrustnen Mänteln, schwarzen Chor- röcken und Hosen aus Stofftapeten und Bettvorhängen. Die Vorhnt hatte hölzerne Löffel in den Hutkrempen und wurde darum noch lange Zeit hindurch „Löffelgarde" genannt. Ihre Tornister waren mit ge- raubten Sachen vollgepackt, und außen hingen Würste, Hühner, Gänse und Enten daran. Die Offiziere waren einfach gekleidet, ohne Schärpe und Degenquaste. Sie führten weder Packwagen noch Packpferde und trngen ihr Gepäck wie die Gemeinen auf dem Rücken. Beim Einzug spielte die Mnsik, gleichsam zum Hohn, das Lied „Freut euch des Lebens". — Dem Einzug folgte eine schreckliche Nacht. Kein Schlaf kam in die Augen der Bürger. Die meisten hatten mit den einquartierten Kriegern wahre Kämpfe zu bestehen. Man hörte nichts wie Jammergeschrei und lautes Wehklagen. Der Rat blieb in der Nacht auf dem Rathans ver- sammelt, um alle Forderungen der französischen Generale zu erfüllen. Zuletzt forderte einer von ihnen 40000 Reichstaler binnen 12 Stunden. Zum Glück hob am anderen Tage der von Napoleon eingesetzte Platz- Hauptmann die Forderung auf. Am 30. Oktober 1806 wurde deu Erfurter Bürgeru bekanntgegeben, daß der Kaiser die Stadt und das Gebiet Erfurt unter feinen Schutz ge-
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