1899 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Vogtland
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 17 —
in einem zehnjährigen Zeiträume begangen werden. Doch bald sollte Karl
über die Perlfischerei noch mehr hören; denn der ergraute Fischer setzte sich
zu uns, um sein Frühstück zu verzehren. Während des Essens griff er in
die Tasche und zeigte uns eine herrlich glänzende, milchfarbene und dabei
durchsichtige Perle. Sie hatte die Größe eines Haselnußkernes. „Ein groß-
artiges Kunstwerk ist eine solche Perle," rief Karl vor Bewunderung aus,
„gar zu gerne möchte ich wissen, wie die stillen Muschelu in ihrer dunklen
Werkstatt so hellstrahlende Kleinode herstellen können." Daraufhin erzählte
der Fischer: „Wie die Teichmuschel, so besteht auch die Perlmuschel aus
dem kopflosen Weichtiere und den beiden Schalen. Die letzteren sehen außen
schwarz aus; innen aber sind sie von silberartigem Glänze oder, wie man
gewöhnlich sagt, „perlmutterartig". Beim Öffnen der Schalen kommt nun
manchmal ein kleiner Gegenstand, z. B. ein Sandkörnchen oder eine Wasser-
alge ins Innere der Muschel und setzt sich darin fest. Da der Eindring-
ling ein ungewöhnliches Reizen und Jucken aus das Weichtier ansübt, so
überzieht ihn dieses mit Schleim. Anfangs entsteht nur ein Bläschen mit
roter Flüssigkeit; später verhärtet dieses, nimmt an Glanz und Größe immer
mehr zu, bis endlich die Perle fertig ist. Nicht alle Perlen haben eine ruude
Form wie diese hier; manche sind oft an einer Seite ganz flach gedrückt.
Dies ist dann der Fall, wenn der fremde Körper sich nicht in dem weichen
Mantel des Tieres, sondern auf der Innenseite der Schale festgesetzt hat.
Leider habe ich auf dieser Strecke fast nur verkrüppelte, halbhelle Perlen
gefunden.
Als ich vor 10 Jahren dieses Gebiet durchstreifte, da verhieß es reiche
Beute. Aber Hochwasser und Eisgang haben den Grund verändert und
die Muscheln hinweggeschwemmt. Dort unten besonders, wo die Eisenbahn
dicht au die Elster herantritt, war ein reicher Bestand zu finden; aber der
Bahnbau hat ihn sehr gelichtet. Die Muscheln wollen eben ungestört sein.
Gut gedeihen sie in der Trieb, im Rauuer-, Marieueyer und auch im
Schönlinder Bach, weil sie da dnrch keine Fabrikanlage gestört werden.
Dort ist der Boden, über den das kalkhaltige Wasser ruhig hinfließt, gleich-
sam mit Muscheln gepflastert. Freilich sind die Muscheln selbst in diesen
einsamen Gewässern nicht vor jenem fadenförmigen Wasserwurm sicher, der
sich durch die Schale bohrt, als wenn eine Stecknadel durchgestochen würde
und sich bis in das Tier hineinfrißt. Feinde der Perlmuscheln hat es stets
gegeben, und die Klagen darüber siud so alt wie die Perlfischerei selbst.
Zur Zeit meiner Vorfahren waren es bald die geflößten Hölzer, welche die
Ruhe der Muschelbäuke störten; bald wurde durch die Hammer- und Poch-
werke das Wasser verunreinigt; zudem thaten auch die damaligen Kriege
dem Friedeuswerke der Perlfischerei großen Abbruch. Trotzdem aber haben
meine Vorfahren die Blütezeit der Perlfischerei durchlebt; denn im Jahre 1650
betrug die Ausbeute an Perlen 224 Stück, im Jahre 1681 zwar nur 105,
darunter befanden sich aber 73 helle. Heutigentags ist der Ertrag an
Perlen weit geringer. Wohl konnte ich vor einigen Jahren anch einmal
147 Stück abliefern, aber unter diesen waren nur 7 von der edelsten Sorte.
Obwohl die Ausgabe für die Perlfischerei größer ist als die Einnahme durch
die Perlen selbst, so läßt unsere Regierung die Sache doch nicht eingehen,
weil die Perlfischerei eine alte, hochgeschätzte Eigentümlichkeit des Vogtlandes
ist außer im Vogtland trifft man nur uoch in der Lüneburger Heide
Unser Vogtland. 3. Neudruck. 2