1899 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Vogtland
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und bekam 1777 durch die Gründung der Saitenmacherinnung eine feste Ein-
richtung. Um die Ware in gutem Rufe zu erhalten, wurde die „Schau und
Siegelung" eingeführt, so daß keine Saite verkauft werden durfte, die nicht
vorher die Prüfung von Sachverständigen bestanden hatte und gestempelt
worden war. Die Zahl der Werkstätten, die anfangs nur auf 12 festgesetzt
war, mußte bald erweitert werden. Seit 1857—1860 hat sich die Industrie
außerodeutlich vergrößert; damit ist aber auch zugleich eine Umwandlung
des Kleinbetriebes in den Großbetrieb vor sich gegangen.
Nicht jeder beliebige Darm kann in eine Saite verwandelt werden,
vor allem nicht, wie man oft noch lesen kann, der Darm der Katzen, Ziegen
und anderer Tiere. Zur Herstellung von Saiten benutzt man Schafdärme;
aber auch diese siud je nach dem Alter und nach der Ernährungsweise der
Tiere von verschiedenem Werte. Am gesuchtesten sind die Därme von Lämmern,
welche im Sommer bis zum Monate August geschlachtet worden sind. Die
Güte der Saite hängt aber auch von der Behandlung ab, welche man dem
Darme bald nach dem Schlachten der betreffenden Tiere zu teil werden läßt.
Die Saitenfabrikation nahm daher in Markneukirchen erst von der Zeit
an einen größeren Aufschwuug, als die Fabrikanten sich selbst ins Ausland
begaben, um gute Bezugsquellen ausfindig zu machen, und für richtige Be-
Handlung der Därme sorgten. Das geschah von 1838 an.
Vorher wurden die Därme ans Böhmen und Bayern bezogen; in dem
genannten Jahre aber kam ein Däne nach Markneukirchen, und als die von
ihm angebotenen Därme sich brauchbar erwiesen, ging ein Sachverständiger
nach Dänemark und Holstein und errichtete dort eine „Därmepntzerei". Im
Jahre 1855 entstanden auch in England Därmepntzereien. Die dänischen
und englischen Därme sind aber immer mehr in den Hintergrund getreten,
seitdem im Jahre 1861 das Junere Rußlands als eine ausgezeichnete Be-
zugsquelle für Därme erkannt worden ist. Schon nach drei Jahren gab es
dort mehr als 20 Därmeputzereieu, und nach weniger als 15 Jahren waren
fast alle Massenschlächtereien im europäischen Rußland in den Händen Mark-
neukircheus, d. h. sie gaben ihre Schafdärme an die Aufkäufer für diese
Stadt ab.
In der Zeit vom Frühjahre bis zum Herbste werden die angekauften
Därme in den genannten' Anstalten des inneren Rußland gewässert, vom
Schleime gereinigt, vorsichtig getrocknet, sortiert, in Schocke gebunden, in
Kisten verpackt und so nach ihrem Bestimmungsorte versandt. Das erfordert
nicht bloß viele Hände, sondern kostet auch viel Geld, und große Summen
müssen erst ausgelegt werdeu, ehe auch uur mit der eigentlichen Saiten-
sabrikation begonnen werden kann.
Wie die Zubereitung der Därme für den Versand vom Ursprungslande
nach dem Fabrikationsorte ein unappetitliches Geschäft ist, so anch der nächste
Teil der Arbeit. Die Därme werden zuerst schockweise in einer Lauge ein-
geweicht, einen Tag darin gelassen und dann geschleimt oder von den sich
ablösenden Fettteilchen gereinigt. Dann spaltet man sie, indem man sie in
zwei Streifen schneidet, und schleimt sie 4 Tage lang täglich etwa zweimal
wieder. Diese Arbeit besorgen die sogenannten „Schleimmädchen". Die
Lauge, die zum Beizen verwendet wird, ist von großem Einflüsse auf das
Aussehen der Saiten, und auf ihre geuaue Zubereitung ist daher die Auf-
merksamkeit der Vorsteher von Werkstätten ganz besonders gerichtet.
Unser Vogtland. 3. Neudruck. 4