1899 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Vogtland
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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von seiner Höhe herabgrüßen. In wenigen Minuten ist er erreicht. Der
gefesselte Verbrecher steigt vom Wagen; die Gerichtspersonen bilden einen
Kreis um ihn, verkünden dem Volke das Todesurteil und übergeben ihn
dem Henker, daß dieser seines Amtes warte. Von dem Geistlichen geleitet,
wankt „der arme Sünder" dem Galgen zu. Noch einmal kniet er nieder
und betet. Dann ergreifen ihn die Henkersknechte; nach wenigen Minuten
ist das Todesurteil vollzogen, und der Leichnam des Hingerichteten hängt,
ein Spiel der Winde, an dem dreisäuligen Gerüste. Die Gerichtspersonen,
der Geistliche, das Volk, zuletzt der Henker mit seinen Knechten verlassen
ernst die Hinrichtungsstätte. Bald ist der ganze Platz leer. Mit Grauen
wendet der eine oder der andere noch einmal den Blick rückwärts; dann
eilen alle ihrer Wohnung zu und erzählen den Daheimgebliebenen von dem
schauerlichen Erlebuisse.
Wochenlang ließ man oft die Erhenkten zum warnenden Beispiel für
alle Übelthäter am Galgen hängen. Ein christliches Begräbnis auf dem
geweihten Gottesacker ward ihnen aber auch dann nicht gewährt. Wenn
der verwesende und von Krähen und anderen Aasvögeln zerhackte Leichnam
in Stücken abzufallen begann, fo wurde er einfach neben dem Galgen ein-
gescharrt.
Noch im Jahre 1779 wurde bei der Enthauptung eines preußischen
Greuadiers der Kopf desselben auf das Rad bei dem Plauenschen Galgen
genagelt. Erst im Jahre 1833 wurden Galgen und Rad in Plauen für
immer beseitigt.
17. Z)er schwarze Tod im Wogttande.
Au einem Septemberabende des Jahres 1600 stand der Gastwirt
Nikol von Triebet am Fenster und starrte hinaus ins Abendrot. Eine
unerklärliche Angst hatte ihn ans Fenster getrieben, und als er nun den
blutigroteu Himmel erblickte, mußte er wieder an den schlimmen Traum
der vergangenen Nacht denken. So rot sah er auch im Traume den
Himmel leuchten, als auf einmal große, schwarze Vögel kamen, die sein Haus
umkreisten. Und über ein kleines, da hatten sich auch seine drei lieblichen
Töchter in solche schwarze Vögel verwandelt und flogen von ihm fort hinein
in das feurige Rot. — Schon den ganzen Tag über hatte ihn dieser Traum
beunruhigt, und der Gedanke, es möchte über sein Haus ein Unglück kommen,
schnürte ihn: die Brust zu. Oder sollte vielleicht seinem Bruder, der oben
auf dem Haselrain wohnte, etwas Schlimmes auf der Wolfsjagd wider-
fahren fein, zu derer sich vorgestern aufgemacht hatte? Unwillkürlich mußte
der Wirt daran denkcu, wie voriges Jahr 14 Tage vor Weihnachten Peter
Schneider aus Schwand auf der Wolfsjagd jämmerlich ums Leben ge-
kommen war. Schneider hatte sich im Schönecker Walde verirrt, war im
Schnee stecken geblieben und erfroren; erst im letzten Mai war seine Leiche
von Kuhhirten gefunden worden.
Ans seinen trüben Gedanken wurde Nikol durch einen Peitschenknall
emporgeschreckt; er blickte auf und fah vou der hohen Landstraße herab einen
Fuhrmann kommen. Bald darauf öffnete sich die Thür, und herein wankte
der Fuhrmann, der sich kaum mehr auf den Beinen erhalten konnte. Mit
schwacher Stimme erzählte dieser dem Wirte, daß er Abraham Jpphos heiße,
Unser Vogtland. 3. Neudruck. 7