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1. Unser Vogtland - S. 124

1899 - Leipzig : Dürr
Eier ausbrütet, sein bester Freund. Von diesem merkwürdigen Vöglein geht eine schöne Sage, welche Julius Mosen in einem herrlichen Ge- dichte behandelt hat. Man erzählt, der Vogel habe seinen krummen Schnabel und die roten Blutstropfen auf feinem Gefieder von dem ver- geblichen Bemühen erhalten, dem am Kreuze blutenden Erlöser die Nägel aus den durchstochenen Händen zu ziehen. In der Schönecker Gegend ist der Kreuzschnabel der häufigste Stnbengenosse der Bewohner; denn er heilt uach dem alten Volksglauben die Gicht und das Reißeu. Mau glaubt, daß er diese Krankheiten aus dem Körper der in seiner Nähe Weilenden in sich aufnimmt und dadurch den Kranken rettet, während er selbst nach und nach hinsiecht und stirbt. — Ein lieber Freund des Vogtländers ist auch der Kuckuck. Wer ihn zum ersten Male im Jahre hört, klopft an seine Geldtasche, um das gauze Jahr hin- dnrch immer viel Geld zu haben. Man fragt ihn, wie lange man noch leben werde, und durch sein Rnfen giebt er die Zahl der Jahre an. — Von den Schwalben sagt man, sie bringen dem Hanse Segen, an oder in welchem sie ihr Nest bauen, besonders schützen sie es vor dem Feuer und vor dem Blitze. Man hütet sich daher, mit ihnen sein Glück zu ver- treiben. 5. So sieht man denn, wie innigen Gemütes, von welch gutem Kerne der Vogtländer ist, trotzdem er dem Fremden derb und rauh, ja oft abstoßend erscheint. Wer allerdings den Vogtländer nur im Wirtshause zu sehen Gelegenheit hat, wer da hört, wie sich Freunde und Bekannte — was freilich nicht schön ist — mit oft recht wenig schmeichelhaften Titeln begrüßen, der wird sich einen vollständig falschen Begriff von ihm machen. Um ihn ganz kennen zu lernen, muß man sein Familienleben belauschen, muß die aufopfernde Liebe der Familienglieder untereinander sehen, muß ihre Lieder hören, ihren rechtschaffenen, biederen Charakter kennen lernen. Mit dem rauhen Außenwesen des Vogtländers hängt eine andere Eigenart zusammen, das ist seine Geneigtheit zur Selbsthilfe. Ob diese Eigenschaft in der Zeit sich entwickelt hat, als noch Slaven und Deutsche nebeneinander wohuteu und Reibereien und Schlägereien im kleinen und großen sehr oft vorkanien, oder ob sie ein noch älteres Erbteil des Stammes der Franken ist, wer vermag das zu sagen? Thatsache ist es, daß der Vogt- länder lieber selbst mit eigener Hand ablohnt, als daß er vor den Gerichten Klage führt. Doch ist der Vogtländer in diesem Stücke lange nicht so schlimm wie sein Ruf; auch find die Gewaltthätigkeiten sehr stark im Abnehmen be- griffen, seitdem die Gerichte mit voller Strenge dagegen einschreiten. Eine andere Eigenart des vogtländischen Volkscharakters ist das Miß= trauen, welches man zwar bei allen ländlichen Bewohnern von ganz Deutschland antrifft, das aber kaum irgendwo so stark cutwickelt ist wie im Vogtlande. Es ist vielleicht eiue Folge des Abhängigkeitsverhältnisses vom Rittergutsbesitzer, dem „Herrn", wie derselbe hente noch überall kurz heißt, und dereu es auf dem kleinen Räume 120, in manchem kleinen Dorfe oft zwei giebt. Bis in die vierziger Jahre waren die Leute diesem Herrn zum Fronen verpflichtet und überhaupt ganz und gar von ihm abhängig, ja manche sind es in gewisser Hinsicht heute noch. Die Rittergutsbesitzer ließen durch ihre Gerichtshalter die Rechtspflege in ihrem Namen ausüben. Dabei mag dem Volke wirklich gar oft berechtigter Grund zu Klagen gegeben
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