1899 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Vogtland
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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worden sein. Der Vogtländer ist mißtrauisch gegen Leute, die er nicht
kennt, ebenso gegen neue Einrichtungen. In der Volks- und Viehzählung,
in sonstigen statistischen Erhebungen, im Besuche eines Beamten, in einer
leicht hingeworfenen Bemerkung eines solchen und dergl. wittert er Verrat
und ist vorsichtig und zurückhaltend. „Jech sog net e su, und iech sog net
e su, aß's net hintennooch haaßt, iech Hütt' e su oder e su gesogt", ist eine
seiner Redensarten.
Mit dem Mißtrauen aufs engste verbunden ist die Wortkargheit
des Vogtländers. Niemand spricht den Fremden an, der im Wirtshause
Einkehr hält; mißtrauisch wird er und sein Thun betrachtet: „M'r waß
derweeng net, was su a Kerl is und wos er will. Wenn er nix wött, kam
er net z'uus", so heißt es. Freilich ist er dann auch um so mitteilsamer,
wenn sein Mißtrauen sich als unberechtigt erwiesen hat.
6. Das Vogtland war früher als ein ziemlich rauhes, unfruchtbares
und armes Land verschrieen, und, was besonders das letztere betrifft, jeden-
falls nicht ganz mit Unrecht. Aber sein Rnf hat sich gebessert. In den
letzten Jahrzehnten hat es sich außerordentlich entwickelt. Eine ausgedehnte
Industrie und ein lebhafter Handel sind entstanden. Mit den Reichtümern,
welche dadurch in die Städte flössen, hob sich auch die Landwirtschaft und
damit die Wohlhabenheit auf den Dörfern. Doch seine Genügsamkeit und
Einfachheit hat sich der Vogtländer bewahrt. Dies zeigt sich besonders au
der ausgiebigen Verwendung eiuer Kulturpflanze, die früher das Haupt-
Nahrungsmittel war und jetzt noch eine große Rolle im Haushalte des
Vogtländers spielt, der Kartoffel. In ihrem Anbau ist das Vogtlaud allen
übrigen Gegenden Sachsens vorangegangen. Ein Zimmergeselle aus Unter-
Würschnitz — mau zeigt dort sein Haus heute uoch — mit Namen
Hans Wolf Löwe, genannt Kummer oder Kummerlöw, der in London ge-
arbeitet hatte, brachte diese Feldfrucht zu Eude des 17. Jahrhunderts von
dort mit nach Hause und pflanzte sie zuerst in seines Vaters Garten an.
Der Versuch gelaug und weckte bald viele Nachahmer. Im Meißnischen
aber lachten die Bauern über die vogtläudischeu Knollen, wie sie die neue
Frucht verächtlich nannten, verspotteten die Prediger, welche zum Anbau
derselben ermahnten, und schalten ihre wohlgemeinten Ermahnungen sogar
Knollenpredigten, führten aber doch am Ende die Frucht ein und dankten
Gott und ihrem Pfarrer dafür. Im Vogtlande und Erzgebirge genoß man
anfangs die Kartoffeln wie Butter zum Brote; aber bald wurden sie für die
Bewohner das wichtigste Nahrungsmittel und haben ihnen manche durch
Mißraten des Getreides entstandene Teuerung überstehen helfen. Die Vogt-
länderin weiß aber auch schier zahllose Kartoffelgerichte herzustellen. Ein
vogtländisches Städtchen bewirtete einen sächsischen Prinzen einmal mit einem
Mittagessen von vielen Gängen, deren jeder die Kartoffel in anderer Gestalt
als Hauptbestandteil enthielt, und die Gerichte sollen dem durch den Hofkoch
verwöhnten Gaumen des hohen Herrn ganz prächtig gemundet haben.
Außer den gewöhnlichen Kartoffeln in der Schale und den geschmorten
kennt das Vogtland gebratene, gebackene, eingeschnittene Erdäpfel, Erdäpfel-
suppen verschiedener Art, Erdäpselbrei, Erdäpfelknchen, Erdäpfeltorte und
vor allem „Bambus" und Klöße. Letztere, welche in zwei Sorten, als
gewöhnliche und als „grüne" oder „grüngeniffte" auftreten, fehlen in Stadt
und Land fast bei keinem Sonntagsbraten.
fci