1910 -
Straßburg
: Bull
- Autor: Slawyk, J., Slawyk, Reinhold
- Auflagennummer (WdK): 20
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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§ 16. Die einzelnen Bezirke und Kreise.
In der Zeit der Kirchentrennung traten religiöse Streitigkeiten auch in Straßburg
in den Vordergrund. Di-. Martin Luthers neue Lehre fand schnellen Eingang.
Tie sichere Haltung des Magistrats, an dessen Spitze der zugleich als gewandter
Staatsmann berühmte Stadtmeister Jakob Sturm von Sturmeck staud, wußte
der Stadt jedoch die Unruhen jener religiösen Bewegung zu erspare». — Der
30jährige Krieg richtete auch in Straßburg häufige Wirren an; im westfälischen
Frieden (1648) wurde zwar der Stadt ihre Eigenschaft als unmittelbare Reichs-
stadt gewährleistet, doch wurde dieselbe am 30. September 1631, mitten im Frie-
den, von Ludwig Xiv. iu Besitz genommen und Frankreich im Ryswicker Frieden
(1697) zugesprochen. Dieser ließ die Festungswerke durch Vauban sehr verstärken
und Straßburg zu einem der größten Waffenplätze herrichten.
Während der französischen Revolution wnrde die Schreckensherrschaft auch
hierher verpflanzt und forderte, namentlich als 1791 der berüchtigte Eulogius
Schneider zum öffentlichen Ankläger ernannt worden war, ihre zahlreichen Opfer.
In den Napoleonischen Kriegen wurde die Stadt 1814 und 1815 von den Ver-
bündeten belagert, ohne jedoch bedeutend geschädigt zu werden. Der am 30. Ok-
tober 1835 von Louis Napoleon hier gemachte Versuch, sich vou der Armee zum
Kaiser von Frankreich ausrufen zu lassen, scheiterte an dem Widerstande der Gar-
nison. — Der Krieg von 1870—1871 brachte Straßburg nach siebenwöchiger
harter Belagerung (vom 11. August bis 28. Septemper 1870) wieder an Deutsch-
land zurück.
Um die Stadt für die Znkunft gegen feindliche Angriffe mehr zu schützen, wurde
dieselbe seitdem von der deutschen Regierung mit einem Gürtel von 14 Außen-
sorts umgeben, welche von der alten Befestigung 5 bis 8 km entfernt bleiben.
Diese Forts tragen die Namen ausgezeichneter deutscher Heerführer; drei derselben
sind auf der rechten (badischen) Seite des Rheines gelegen. — Die lange als Be-
dürsnis erkannte und 1876 zur Ausführung gelangte Erweiterung der Stadt hat
deren früheren Flächenraum von 530da auf 425 ha, gebracht und die früheren sieben
Tore um vier vermehrt.
Straßburg ist Residenz des Statthalters, Sitz des Ministeriums von Elsaß-
Lothringen, des Oberschulrats, des Bezirkspräsidiums von Unter-Elsaß, ebenso
des Generalkommandos vom 15. Armeekorps; Straßburg ist ferner der Sitz eines
katholischen Bischofs und des Ober-Konfistoriums und Direktoriums der Kirche
Augsburgischer Konfession. — Seit dem 1. Mai 1872 besteht wieder eine deutsche
Universität; es befinden sich ferner ein Lyzeum, eilt katholisches und ein protestan-
tisches Gymnasium, zwei Oberrealschulen und eine Realschule, Kunstgewerbeschule,
Technische Schule, Musikschule (Konservatorium), mehrere höhere Mädchenschulen,
eine Präparandenschule, eiu katholisches Priesterseminar, ein Lehrer- und ein Lehre-
rinnenseminar iu der Stadt. — In Straßburg ist ferner die Generaldirektion der
elfaß-lothringifchen Eisenbahnen, die Ober-Postdirektion für das Elsaß, die Direk-
tion der direkten Steuern und des Vermessungswesens, die Direktion der Zölle nebst
Hauptzollamt, die Direktion der Verkehrssteuern und ein Landgericht.
Die größte Merkwürdigkeit Straßburgs ist das weltberühmte Münster, zu dem
der Grund im Jahre 1015 gelegt wurde. Der berühmteste Baumeister war Erwin;
er nahm den Vorderbau und die Türme in Angriff, starb aber schon 1318. Nur
der nördliche Turm wurde ausgebaut und im Jahre 1439 durch Johann Hültz
von Köln vollendet. Ter Turm hat eine Höhe von 142 m und ist eines der höch-