1897 -
Braunschweig
: Wollermann
- Autor: Harms, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Seminaranstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Alpen im Laufe der Jahrtausende sich höher und höher hinaushoben, nagten an
ihm schon mit Macht die zermürbenden und abtragenden Kräfte'), die unendlich
langsam zwar, aber stetig an der Zerstörung der Gebirge arbeiten. Dem Böhmer-
Wald fehlen deshalb mehr oder weniger die Merkmale eines jugendlichen Alters,
wie sie die Alpen noch in reichster Fülle bieten: hochragende Zinnen, steilwandige
Gehänge, große Höhenunterschiede zwischen Berg und Thal^), tosende Gebirgs-
bäche und schäumende Wasserfälle. Wer von einem hochgelegenen Punkte das
Gebirge überblickt, dem erscheint es mehr wie ein welliges, stark bewaldetes
Bergland, denn als ein scharf ausgeprägtes, kraftvolles Gebirge. Zwar sind
auch die Alpen bereits eine Ruine, aber hier stehen doch noch die hochragenden
Mauern, während vom Böhmerwald nicht viel mehr als der Sockel übrig ist.
(2. Wälder.) Je mehr die Oberfläche nivelliert wurde und je mäch-
tiger überall die Verwitterungsschicht sich gestaltete, desto großartiger
konnten sich ungeheure Waldungen entwickeln. Kein anderes deutsches Ge-
birge verdient mehr den Namen eines Waldgebirges als der Böhmerwald.
Er allein auch trägt auf seinen flachen Rücken und Plateaus uoch wirkliche Ur-
wälder, Wälder, in welche die menschliche Hand, sei es zur Pflege oder zur
Abholzung, noch nicht eingriff. Mitte der fünfziger Jahre berechnete man das
Gesamtgebiet der Urwälder noch auf ca. 17 000 ha (Vergleich!), doch haben auch
sie seitdem unter der fortschreitenden Entwaldung sehr gelitten.3) Einzigartig
und überwältigend ist der Eindruck, den diese uralten Waldungen auf den
Menschen machen. Gewaltige Baumriesen ragen gen Himmel, unter ihnen
Weißtannen von 60 m Höhe und mit einem Durchmesser von 2 m, graubärtig
behangen mit ellenlangen Flechten. Gestürzte Genossen liegen einzeln oder in
Gruppen zu ihren Füßen, eben erst zusammengebrochen, oder halb vermorsch!
schon und vielfach mit üppigen Moospolsterungen bedeckt. Mühsam nur über-
steigt der Wanderer diese sich immer wiederholenden Hindernisse. Häufig sind
aus den Riesenleibern der gestürzten Stämme junge Bäume wieder aufgeschossen,
die, vom Marke der Alten genährt, sich kräftig entwickelten und die Lücken mit
Erfolg wieder ausfüllten.
(3, Moore.) In der geologischen und Oberflächenbeschasfenheit des
Böhmerwaldes ist neben dem Waldreichtum noch eine andere Eigentümlichkeit
begründet, die zahlreichen ausgedehnten Moore. Infolge der geringen Höhen-
unterschiede und des plateauartigen Charakters, wie auch des undurchlässigen
granitenen Untergrundes, ist der Abfluß der Gewässer weniger rasch als in
anderen Gebirgen. Es kam zu ausgedehnten, flachen Wasseransammlungen,
die im Laufe der Zeit versumpften und sich zu Mooren umgestalteten. Sie
verstärken den unwirtlichen Charakter des Gebirges außerordentlich und er-
schweren dem Wanderer mehr noch als die Urwälder das Vordringen, ja bringen
mit ihrer oft trügerischen Decke wohl gar sein Leben in Gefahr. Für das Ge-
birge und seine Nachbarschaft sind sie jedoch von großem Nutzen, indem sie den
Wasserstand der Flüsse regulieren. Zur Zeit der Schneeschmelze und
starker Niederschläge verhindern sie ein allzuschnelles, verderbliches Anschwellen
*) Erosion = Auswaschung, Denudation = Abtragung.
2) Man hat berechnet, daß die relative Höhen-Differenz im Böhmerwald im Durch-
schnitt 156 rn nicht übersteigt.
3) Um dem Böhmerwald auf jeden Fall ein Stück Urwald zu erhalten, befahl Fürst
von Schwarzenberg, der allein 25 000 ha Forsten besitzt, seinen Forstbeamten, einen
1800 ha großen Urwald unangetastet zu lassen skntzen).