1897 -
Braunschweig
: Wollermann
- Autor: Harms, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Seminaranstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Die Entstehung der Steinkohlenlager.
Die sogenannten Steinkohlengebirge oder Steinkohlenformationen bestehen nie ans
lauter Kohle. Immer nur finden sich dünne Kohlenschichten (x/4— 15 m stark), — Flötze
genannt, — eingebettet zwischen viel mächtigeren Gesteinsablagerungen. Zuunterst liegen
gewöhnlich Schieserthone oder Sandsteine und darauf ein Kohlenstoß. Dann folgen wieder
Schiefer- und Sandsteine, darauf wieder ein Kohlenflötz n. s. f. Im Saarbrückener Kohlen-
gebirge finden sich (s. oben) 200 Flötze, von den freilich nur 88 abbauwürdig sind mit
zusammen 82 m Kohlen. Das Ruhrkohlengebirge
hat 90 abbauwürdige Flötze mit 96 in Kohlen. Bei
beiden beträgt also die durchschnittliche Stärke eines
Flötzes 1 m.
Wie mögen nun diese brennenden „Steine"
entstanden sein? Wir erinnern uns zunächst der
brennbaren Erde, des Torfes. Wie dieser entsteht
und »voraus er besteht, wissen wir aus Erfahrung
(s. auch Abschnitt „Entstehung der Torfmoore").
Die schwarze Torferde ist nicht eigentlich Erde, fon-
dern abgestorbene, faserige oder zu Pulver zerfallene
Pflanzenmasse. Sie entsteht aus den absterbenden
und langsam verkohlenden Torfpflanzen, wie sie in
grünem Zustand die Decke des Torfmoores bilden.
Je tiefer wir iu ein Torfmoor eindringen, desto
massiger, schwerer und schwärzer ist die Torferde, ja
die untersten Schichten erinnern geradezu an Braunkohlen.x) Das legt uns den Gedanken
nahe, auch die Steinkohlen- (und Brannkohlen-)lager könnten eine Art Torfmoor, unter-
irdische Torfmoore, sein. Die Frage, wie sie so tief unter die Erde geraten sein
könnten, ist nicht schwer zu beantworten, da wir mit der Schichtenbildung der Erdrinde
vertraut geworden sind. Denken wir uus einmal, eins der heutigen Moore senkte sich
und der Ocean träte hinüber, dann würde sich im Laufe der Jahrtausende eine neue Erd-
schicht darüber lagern, die seiner Zeit einmal wieder Festland würde. Sie würde auf das
Moor einen starken Druck ausüben. Infolgedessen würden die obersten Torfschichten et>va
den Charakter annehmen, den wir vorhin bei den unteren fanden, während die unteren
noch dichter und härter werden müßten. Denken wir uns die überlagernde Erdschicht hin-
reichend mächtig, so müßte mit der Zeit das ganze Moor durch den Druck in ein Braun-
kohlen- oder Steinkohlenlager verwandelt werden. Diese unsere Mutmaßung wird uns
durch die Wissenschaft bestätigt. Wir treffen ziemlich die Wahrheit, wenn wir sagen: die
Steinkohlenflötze sind die Moore vergangener Jahrtausende oder Jahr-
Millionen, und umgekehrt: die Torfmoore sind die Steinkohlenlager der
Jetztzeit.
Angenommen, eines unserer Moore ginge auf die gekennzeichnete Weise zu Grunde
und verwandelte sich in ein Steinkohlenlager, das nach vielen Jahrtausenden von den der-
maligen Erdbewohnern „entdeckt" würde. Wenn dann die Menschen die den Kohlen zu-
nächst auflagernde Steinschicht, — denn die Erde wird zu Stein verkittet und erhärtet
sein, — abheben würden, so würden sie auf dieser die Abdrücke der Moorpflanzen
finden. Denn als die ersten Sandmasfen anf die Moore niedergingen, füllten sie auch
die Zwischenräume zwischen den Moos- u. a. Pflänzchen aus, so daß diese, wenn auch ver-
bogen und geknickt, in die Erdmassen eingebettet wurden. Aus den Abdrücken des
„Hangenden", — so nennt der Bergmann die überlagernden Schichten, — würden also
die Nachkommen feststellen können, aus welchen Pflanzen das Steinkohlenlager, bezw. das
Moor, gebildet wurde. — Auf diese Weise erfahren anch wir heutigen Menschen, aus
*) Sehr gut konnte man das beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals, der mehrere Torf-
lager durchschneidet, beobachten.
Harms, Vaterländische Erdkunde. 8
Fig. 28. Kohlenflötze.
(f Flöye, v Verwerfungslinien, s Schacht.)