1897 -
Braunschweig
: Wollermann
- Autor: Harms, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Seminaranstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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bcink und machen sich über dasselbe her, es zu zerlegen wie das Raubtier seine
Beute. Nach solchen Stürmen spült immer reiches „Strandgut" au die Küste.
(Die alten Kirchengebete!) Um den Schiffbrüchigen Hilfe bringen zu könnnen,
hat man an der Küste zahlreiche Rettungsstationen eingerichtet. Erblickt man
von dort aus ein Schiff in Gefahr, so werden schnell die Rettungsböte ins
Meer gefahren; mutige Männer (Lotsen und Fischer) steigen hinein und nun
gehrs „Gott besohlen" hinaus in die heulende See. —
Wir begreifen jetzt, weshalb an der ganzen Nordseeküste sich keine einzige
größere Stadt befindet, während die Ostseite deren doch eine ganze Reihe hat. (Vergl.
speciell auch Schleswig-Holsteins Ostküste — Kiel, Schleswig, Flensburg u. a.
— mit der Westküste.) Bremen und Hamburg-Altona, die beiden wichtigen
Nordsee-Handelsplätze, sind nicht an der Mündung der Elbe und Weser,
sondern 60—80 km landeinwärts angelegt und groß geworden. An der Küste
selbst merken wir uns die vier von je ©: Emden am Dollart, Wilhelms-
Häven am Jadebusen, Geestemünde und Bremerhaven an der Weser-
niünduug.
4. Die Marsch.
(1. Entstehung.) Gleichsam als gereute die Nordsee ihr schreckliches
Wüten vergangener Zeiten, ist sie in ruhigen Stuudeu bemüht, den Schaden
wieder gut zu machen. Tag für Tag trägt sie einen fetten Schlick an die Küste
und lagert ihn an ruhigen Stellen auf den Watten ab. Sie will auf dem
alten Sockel wieder eiu neues Land aufbauen! Und wirklich erhöht sich im
Laufe der Jahre der Wattboden an der Küste zunächst soweit, daß die gewöhn-
liche Flut ihn nicht mehr bedeckt. Es siedeln sich nun gewisse Gewächse an
(Queller!), die bei Hochfluten den Schlick festhalten und so sein schnelleres
Emporwachsen befördern. Endlich erscheint der weiße Klee, und nuu ist die
Zeit gekommen, das neugebildete Land mit einem Deich zu umgeben. Deiche
sind mächtige Erdwälle von 5—10 m Höhe (Vergl.). Nach der Meeresseite
flachen sie sich ganz allmählich ab (Grund), auch sind sie hier mitunter mit
Steinen gepflastert oder mit Stroh „bestickt". Trotz ihrer Höhe steigt das Meer
bei Sturmfluten nicht selten bis an ihren Rand. Das sind dann unheimliche
Stuudeu für den Marschbewohner. Zu wissen, daß das nahe Meer einem
mehrere Metex über des eigenen Hauptes Scheitel steht, bereitet kein an-
genehmes Gefühl! Bei der ungeheueren Wichtigkeit der Deiche waren die Deich-
gesetze von jeher sehr strenge. Wer seinen Deichverpflichtnngen nicht nachkommen
mochte oder konnte, mußte Hab und Gut einem anderu, Tüchtigeren, überlassen.
„De nich will diken, mut wikeu." Beleidigte jemand den Deichrichter, so traf
ihn vierfache Strafe; selbst die Beleidigung eines Deicharbeiters zog doppelte
Ahndung nach sich. Die Deichbaulasten sind außerordentlich hohe. Hätte er sie
nicht zu tragen —- pflegt wohl der Marschbauer zu sagen — so könnte er mit
silbernem Pfluge pflügen. Wo den Flüssen ein Weg gelassen werden muß, be-
finden sich Öffnungen in den Deichen. Vor denselben sind mäch- Seeseite
tige Doppelthüreu — Schleusen -— angebracht, und zwar in
der Weise, daß die andrängende Flut sie sich selbst verschließt, Flußseite >
während zur Ebbezeit der Fluß sie wieder offen drängt. — Hinter dem Deich
schreitet die Schlickanstreibung weiter fort; es entsteht das „Außendeichslaud."
Ist dasselbe groß genug, um die Kosten der Eindeichung zu lohnen, so wird
auch dieses von eiuem Deich umgeben. Geheut hatte man hier auch schon vor
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