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1. Vaterländische Erdkunde - S. 227

1897 - Braunschweig : Wollermann
— 227 — bcink und machen sich über dasselbe her, es zu zerlegen wie das Raubtier seine Beute. Nach solchen Stürmen spült immer reiches „Strandgut" au die Küste. (Die alten Kirchengebete!) Um den Schiffbrüchigen Hilfe bringen zu könnnen, hat man an der Küste zahlreiche Rettungsstationen eingerichtet. Erblickt man von dort aus ein Schiff in Gefahr, so werden schnell die Rettungsböte ins Meer gefahren; mutige Männer (Lotsen und Fischer) steigen hinein und nun gehrs „Gott besohlen" hinaus in die heulende See. — Wir begreifen jetzt, weshalb an der ganzen Nordseeküste sich keine einzige größere Stadt befindet, während die Ostseite deren doch eine ganze Reihe hat. (Vergl. speciell auch Schleswig-Holsteins Ostküste — Kiel, Schleswig, Flensburg u. a. — mit der Westküste.) Bremen und Hamburg-Altona, die beiden wichtigen Nordsee-Handelsplätze, sind nicht an der Mündung der Elbe und Weser, sondern 60—80 km landeinwärts angelegt und groß geworden. An der Küste selbst merken wir uns die vier von je ©: Emden am Dollart, Wilhelms- Häven am Jadebusen, Geestemünde und Bremerhaven an der Weser- niünduug. 4. Die Marsch. (1. Entstehung.) Gleichsam als gereute die Nordsee ihr schreckliches Wüten vergangener Zeiten, ist sie in ruhigen Stuudeu bemüht, den Schaden wieder gut zu machen. Tag für Tag trägt sie einen fetten Schlick an die Küste und lagert ihn an ruhigen Stellen auf den Watten ab. Sie will auf dem alten Sockel wieder eiu neues Land aufbauen! Und wirklich erhöht sich im Laufe der Jahre der Wattboden an der Küste zunächst soweit, daß die gewöhn- liche Flut ihn nicht mehr bedeckt. Es siedeln sich nun gewisse Gewächse an (Queller!), die bei Hochfluten den Schlick festhalten und so sein schnelleres Emporwachsen befördern. Endlich erscheint der weiße Klee, und nuu ist die Zeit gekommen, das neugebildete Land mit einem Deich zu umgeben. Deiche sind mächtige Erdwälle von 5—10 m Höhe (Vergl.). Nach der Meeresseite flachen sie sich ganz allmählich ab (Grund), auch sind sie hier mitunter mit Steinen gepflastert oder mit Stroh „bestickt". Trotz ihrer Höhe steigt das Meer bei Sturmfluten nicht selten bis an ihren Rand. Das sind dann unheimliche Stuudeu für den Marschbewohner. Zu wissen, daß das nahe Meer einem mehrere Metex über des eigenen Hauptes Scheitel steht, bereitet kein an- genehmes Gefühl! Bei der ungeheueren Wichtigkeit der Deiche waren die Deich- gesetze von jeher sehr strenge. Wer seinen Deichverpflichtnngen nicht nachkommen mochte oder konnte, mußte Hab und Gut einem anderu, Tüchtigeren, überlassen. „De nich will diken, mut wikeu." Beleidigte jemand den Deichrichter, so traf ihn vierfache Strafe; selbst die Beleidigung eines Deicharbeiters zog doppelte Ahndung nach sich. Die Deichbaulasten sind außerordentlich hohe. Hätte er sie nicht zu tragen —- pflegt wohl der Marschbauer zu sagen — so könnte er mit silbernem Pfluge pflügen. Wo den Flüssen ein Weg gelassen werden muß, be- finden sich Öffnungen in den Deichen. Vor denselben sind mäch- Seeseite tige Doppelthüreu — Schleusen -— angebracht, und zwar in der Weise, daß die andrängende Flut sie sich selbst verschließt, Flußseite > während zur Ebbezeit der Fluß sie wieder offen drängt. — Hinter dem Deich schreitet die Schlickanstreibung weiter fort; es entsteht das „Außendeichslaud." Ist dasselbe groß genug, um die Kosten der Eindeichung zu lohnen, so wird auch dieses von eiuem Deich umgeben. Geheut hatte man hier auch schon vor 15*
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