1877 -
Leipzig
: Barth
- Autor: Flathe, Theodor, Engelhardt, Karl August, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
54 Kreishauptmannschaft Bautzen.
auf 667 mechanischen Stühlen Orleans, d. h. glanzreiche halb-
wollene Kleiderstoffe, erzeugt. Der gewerbreiche Ort besitzt
23 Dampfkessel mit 17 Dampfmaschinen von zusammen 318 Pferde-
kraft. Die 60 m. hohe Esse der großen Preibisch'schen Fabrik
gilt nächst der sreiberger Hütteuesse als die höchste in Sachsen
und überragt z. B. den Thurm der Thomaskirche in Leipzig.
Die hiesige Wollspinnerei, welche schaswollne Garne, zur Orleans-
Weberei passend, fabricirt, ist die einzige Sachsens; bisher mußten
die hier gebrauchten Garne aus England bezogen werden. Der
Hochherzigkeit eines seiner Bewohner, der sich ans Armnth zum
reichen Fabrikherrn emporgearbeitet hat, verdankt der Ort eine
11/2 Stunden lange Wasserleitung, eine Gasanstalt, eine Feuer-
wehr, eiue Stiftung für 40 alte und arme Arbeiter und eine
Schule für Arbeiterkinder. In Reichenau wurde 1753 der Com-
ponift I. G. Schicht als Sohn eines armen Leinwebers ge-
boren. — In dem Granit des romantisch-schönen, jetzt von der
Görlitz-Zittauer Bahu durchzogenen Neißethales zwischen Hirschfelde
und Marienthal findet man schöne Bergkrystalle und Rauchtopase.
Der Flecken Reibersdorf, rechts von der Neiße, ist der
Sitz der gräflich Einsiedelschen Standesherrschaft gleiches Namens,
bildete früher nur einen Theil der Herrschaft Seidenberg, ist
aber, da dieses durch die Landestheilung 1815 preußisch geworden
war, zu einer eigenen Standesherrschaft erhoben worden. Es hat
ein Schloß mit werthvoller, jetzt neu geordneter Bibliothek, schönen
Gärten und Park; die Oekonomie von Reibersdorf gehört zu den
trefflichsten des Landes, der jetzige Standesherr gilt für einen
der ersten Pferdekenner und hat sich um die Einführung des eng-
lischen Hufbeschlags bei uns große Verdienste erworben. Hier
wurde schon vor 70 Jahren das erste Englische Bier gebraut, und
hier auch im Jahre 1831 der erste Artesische Brunnen in Sachsen
gebohrt. — Dicht an der preußischen Grenze, da wo die Neiße
Sachsen verläßt, liegt das von I. S. von Ziegler und Klipphausen
1728 gegründete weltadlige Fräuleinstift Joachimstein, wo un-
ter Aufsicht einer Stiftshofmeisterin zwölf Fräulein von altem
Adel, lebenslänglich oder auch nur so lange es ihnen beliebt, aufs
anständigste unterhalten werden. Die Besetzung der Stellen und
die Verwaltung des Stiftes stehen Sachsen und Preußen gemein-
schaftlich, die Landeshoheit nur ersterem zu.
Auf und über dem fruchtbaren Thalboden der Mandau,
des linken Zuflusses der Neiße, in einer herrlichen Gegend, liegt
unfern der böhmischen Grenze und an der Eisenbahn die Vierstadt
Zittan (20.417 Einw., 1281 H. Mathhaus 243m. h.]), ein
sächsisches und ein österreichisches Hauptzollamt, ein preußisches
Zolliuspectorat, Sitz einer Handels- und Gewerbekammer, der
Oberlansitzer Bank und Hauptplatz für den Handel mit den Roh-
prodncten und Garnen der lausitzer Gewebeindustrie, an welcher
selbst es ebenfalls durch Fabrikation von Orleans und halb-