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1. Hilfsbuch für den Unterricht in der Erdkunde - S. 147

1885 - Halle : Anton
Deutschland, Öfterreich und die Schweiz. der Landsgemeinde zur Entscheidung kommen sollen, vier Wochen vorher öffentlich vorgelegt hat. Man spricht bescheiden, wie es ehrbaren Männern geziemt, deren Stolz ihre Landsgemeinde ist, und wenn der Fremde Aus- kunst Uber diesen oder jenen Artikel verlangt, so wird sie bereitwillig und vollständig erteilt. — 2) So wird es Sonntag Mittag. Von allen Seiten ziehen jauchzende Männer heran; jeder ist mit einem Seitengewehr versehen: dieser hat einen Jnsanteriesäbel, jener einen Galanteriedegen, ein anderer einen Hirschfänger u. s. w. Wenn es schönes Wetter ist, wird die Waffe Uber die Schulter gelegt und daran Jacke oder Rock getragen. Endlich ist alles auf dem schönen großen Platze in Trogen versammelt, wohl 8000 bis 10 000 Männer, vom achtzehnjährigen Jüngling bis zum Greise. Im Vordergrunde steht eine Bühne und auf ihr der Landamman im schwarzen Frack, einen aufgeschlagenen dreieckigen Hut auf dem Haupte, den Degen an der Seite; neben ihm steht der Landschreiber und der Land- waibel, dieser im schwarzweißen Wappenrocke, kurzen, schwarzen Hosen und weißen Strümpfen. Auf einer anderen Bühne seitwärts haben die anderen Landesobrigkeiten Platz genommen. Der Landamman eröffnet mit einer kurzen Rede die Landsgemeinde, und die Geschäfte nehmen ihren Anfang. Zuerst wird der neue regierende Landamman gewählt und auf die Bühne geführt. Zwei Pfeifer und zwei Hellebardiere begleiten ihn; jene spielen einen alten Marsch auf ihren Pfeifen, die mit silbernen Denk- münzen behangen sind; diese machen langsam voranschreitend Platz durch die Menge. Eine gleiche Ehre wiederfährt jedem Landrate, der auf die Bühne gerufen wird. — 3) Endlich werden die Gefetzesvorfchläge des Memoriale Paragraph nach Paragraph vorgenommen. Der Landwaibel ruft: „ Wem' s wohl gefällt, daß--(jetzt wird der betreffende Paragraph wörtlich wiederholt) — der hebe die Hand auf!" Augen- blicklich fliegen die rechten Hände in die Höhe, wie es scheint, fast alle. Das sind aber zarte, kleine, weiße Hände, denen man es ansieht, daß sie nur das Webefchiffleiu und den Baumwollenfaden handhaben. Doch es ist seit dem ersten „Mehr" (so heißt die Abstimmung durch die erhobene Rechte) kaum eine Minute vergangen, so ertönt es wieder von der Bühne herab: „Wem's aber nicht so gefällt, sondern wem's besser gefällt---, der hebe die Hand auf!" und zu unferm Er- staunen erheben sich mehr Hände, als das erste Mal, und der Vorschlag ist verworfen. Auch dem geübtesten Auge wird es oft schwer, zu entscheiden, für welchen Antrag das Mehr ergangen ist; dann ruft der Landamman zwei Landräte auf die Bühne und läßt noch einmal abmehren. Getrauen sich auch diese nicht, zu entscheiden, welches Mehr das zahlreichere gewesen, so müßte die Landsgemeinde in zwei Parteien auseinandertreten und Mann für Mann abgezählt werden. Zuletzt werden auch noch die anderen Landes- obrigkeiten aus den vorgeschlagenen Männern gewählt, und am Ende wird allen Anwesenden ein feierlicher Eid abgenommen: sie heben die Schwur- finger in die Höhe und geloben bei Gott, die Gesetze und Ordnungen des Landes zu halten. Dann geht alles auseinander, die angenommenen Ge- setzesvorschläge bilden sortan einen Teil des Landbuches, und noch lange Zeit nachher ist die Landsgemeinde ein Gegenstand des Gesprächs der Männer. Nach Bnmüller. 10 *
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