1885 -
Leipzig [u. a.]
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
212 Die Balkanhalbinsel.
von Sofia aus der Ginzipaß (1034 in) nordwärts nach Berkovitza und
von hier nach Lom an der Donau. Von der letzterwähnten Straße an ver-
breitert sich der Balkan erheblich. Das Thal des Jsker, des einzigen Flusses,
welcher das Gebirge durchbricht, ist so eng und vielfach gewunden, daß es nicht
gut zur Passage benutzt werden kann. Der Hauptkamm des Gebirges zieht sich
nunmehr mit geringen Biegungen etwa 259 km weit nach Osten und ver-
dient wohl am besten den Namen des „großen Balkan". Sein Abfall ist nach
der Südseite zu besonders steil, besonders gegen die Tundscha hin, welche den
Südfuß begleitet, bis sie unterhalb Sliven, wo der große Balkan endet, sich
plötzlich südwärts wendet und bei Adrianopel die Maritza erreicht. Auf dem
Kamme des Balkan erheben sich einzelne Gipfel bis zu 2300 in; seine Pässe find
vereinzelt und selten unter 1700 in hoch. Einer der wichtigsten derselben ist
der Schipkapaß, welcher von Kasanlik im Tnndfchathale aufwärts führt
und im letzten rufsisch-türkischen Kriege so unermeßliche Opfer gefordert hat.
Dieser Hauptteil des Balkan nun ist mit reichen Waldungen bedeckt, welche
nordwärts noch weit nach Bulgarien hinein reichen. Das letzterwähnte Land
bildet eine zusammenhängende Hochebene, die sich bis zur Donau hinerstreckt
und dieselbe mit steilen Rändern begleitet. In dieses Hochland graben sich die
Flüsse mit tiefen, vielgewnndenen Thülern ein. Außerordentlich ist der kli-
matische Gegensatz, welchen das Gebirge zwischen der nördlichen, bulgarischen
und der südlichen, thracifchen Landschaft hervorruft. Während nordwärts noch
die Vegetation Mitteleuropas allenthalben vorherrscht, gelangt man nach Über-
steignng des im Winter höchst rauhen Gebirges gegeu Süden in eine subtropische
Vegetation. Vou allen Seiten durch Gebirgsmaffeu geschützt und ebenso den
Sonnenstrahlen in hohem Maße ausgesetzt wie trefflich bewässert, reift der thra-
cische Keffel gewaltige Getreidemengen und herrliche Früchte, und besonders
die Gegend von Kasanlik steht in der reizenden Pracht der üppigsten Rosen-
gärten. Oberhalb Sliven spaltet sich der Balkan in mehrere breite, aber niedrige
Rücken, von welchen einer gegen Nordost anf Rasgard zu zieht, während zwei
andre nach Osten hin verlaufen. Der mittelste von ihnen führt den Namen
des „kleinen Balkans" und erreicht, da ihn die beiden Quellen des Kamtfchyk
umfließen, nicht die Küste, wie der südliche. Da in diefen drei Rücken wenige
Punkte die Höhe von 1000 in erreichen, so fehlt es hier nicht anbequemen Über-
gäugen. Der Balkan ist wegen seines hohen, paßlosen Kammes in seinem
längsten und wichtigsten Teile naturgemäß jahrhundertelang eine mächtige Völker-
scheide gewesen und erst neuerdings wieder zu einer Grenzmarke der nenent-
standenen christlichen Staaten gemacht worden; ebenso leicht aber konnten Völker-
scharen über die östlichen Ausläufer des Gebirges sich Bahn brechen, weshalb
hier von den Türken die starke Festung Schnmna errichtet wurde.
Nach Guthe und Barth.