1885 -
Leipzig [u. a.]
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
334 Amerika.
8. Die Sierra Nevada und das tjolemitetlial.
Die geschilderten Hochebenen werden im Westen durch bedeutende Gebirge
begrenzt. Schon unter dem 33.0 nördl. Br. beginnen dieselben mit der etwa
225 km langen und über 3600 m hohen S. Bernardinkette, durch welche
die Mohavewüste scharf berändert wird. Unter dem 35.0 nördl. Br. zweigt
sich von einer ziemlich niedrigen Küstenkette das gewaltige System der Sierra
Nevada ab, um mit derselben Parallel, aber in einer Entfernung von 300 km
gegen Norden zu laufen. Der Mount Withney am Südende des Gebirges
(4640 m) gilt augenblicklich für den höchsten Berg der Vereinigten Staaten.
Zwischen der Sierra Nevada und der Küstenkette läuft das Thal des gold-
haltigen Sacrameuto und seines linken Zuflusses S. Joaquin, deren ver-
einte Wogen sich in die Bucht von S. Francisco ergießen. Die Pässe im Süden
des Withney sind nur gegen 1600 m hoch, hingegen steigen dieselben nord-
wärts meist auf 3000 m Höhe. — Die nördliche Fortsetzung der Sierra
Nevada bildet das Kaskadengebirge, das sehr schwierige Pässe besitzt.
Fast genau in der Mitte zwischen dem West- und Ostabhange der Sierra
Nevada, zugleich etwa in der Mitte der Längenausdehnung des Staates Kali-
sornien, erstreckt sich das Aosemitethal, von dem man behauptet, daß es
mit den Wundern unsrer europäischen Alpenwelt wetteifere, ja dasselbe teil-
weise überbiete. Es ist etwa 12 km lang, 1,5 km breit und fast 1200 m tief
in das umgebende Felsenplateau eingesenkt, so daß es einer riesigen Kluft gleicht,
welche aus der Gebirgskette im rechten Winkel zu deren Streichungsrichtung
herausgesprengt ist. Die Kluft ist zwar ziemlich unregelmäßig und durch ver-
schiedene Vorsprünge und Eiubuchtuugeu begleitet, im allgemeinen aber wird
eine nordöstliche.richtung festgehalten, bis das Thal am oberen Ende fast recht-
winkelig nach Südosten umbiegt und in drei Zweige ausgeht, durch deren jeden
man, wie auf Riesentreppen, zur Hochsierra emporsteigt. In jedem dieser
Canons stürzen mächtige Wasserfälle zu dem Merced herab, in seinem unteren
Teile aber zieht sich das Thal zu einem mit ganz steilen Wänden versehenen
Canon zusammen. Die charakteristischen Eigenschaften des Aosemitethales selbst
aber sind folgende: Seine Wände steigen fast senkrecht zu einer anßerordent-
lichen Höhe empor und aus seinem flachen Grunde tritt fast gar kein Schutt
und Trümmerwerk auf. Besonders aber wird dieser erhabene Charakter des
Thales gehoben durch eine Reihe herrlicher Dome und Wasserfälle, von denen
jeder einzelne genügen würde, in Europa alljährlich viele tausend Reisende an-
zuziehen. Die ganze Felsumrandung des Iosemite besteht aus Hellem, vor-
wiegend graulichem, stellenweise auch aus rötlichem Granit, welchen teils ver-
schiedene Arten und Grade von Verwitterung, teils ursprüngliche Lagerung in
eine Anzahl von Gruppen zerteilt haben. Außerdem spielen in der Umrandung
des Iosemitethales „Dome", d. h. kuppelförmig aufgewölbte Felsmafsen, eine
große Rolle. Von denselben können „El Capitan" auf der Nord- und die
„Kathedralfelsen" auf der Südseite des Thaleinganges gleichsam als Thor-
Pfeiler angesehen werden. Ihnen reihen sich ans der Nordseite die „Drei Brüder"
und die regelmäßige Flachkuppel des „Norddoms" an, auf der südlichen die
hohen Spitzenklippen der „Kathedraltürme", die „Wächterfelsen" und
ein zweiter Felsdom, der diese hoch überragt.